Wirklich nur ein Erbstreit?

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keke Avatar

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Bergljot, aus deren Sicht dieses Buch in der Ich-Form erzählt wird, hat vor Jahren den Kontakt zu ihren Eltern weitgehend abgebrochen. Auch der Kontakt zu ihren beiden Schwestern und dem Bruder beschränkt sich weitgehend auf kurze Telefonate oder Mails.
Von einem Selbstmordversuch ihrer Mutter erfährt Bergljot von ihrer Schwester.
Dieser Anruf der Schwester ist der Ausgangspunkt der Geschichte und der Leser erfährt nach und nach, dass in der Familie ein Streit um zwei Hütten auf Hvaler entbrannt ist.
Glaubt man als Leser auf den ersten Seiten noch an einen banalen Erbstreit, so merkt man schon bald, dass es hier tatsächlich um etwas ganz anderes geht.
Nach und nach offenbaren sich dem Leser familiäre Strukturen, Streitigkeiten, Verletzungen und sogar der Vorwurf eines ungeheuerlichen Verbrechens, das der Erzählerin angetan worden sein soll, und über das in der Familie der Mantel des Schweigens gebreitet wurde, steht im Raum.
Am Anfang habe ich ein wenig gebraucht, um mich in das Buch einzufinden, denn die Erzählzeiten wechseln oft übergangslos von der Gegenwart in die Vergangenheit.
Schon bald aber stellte das kein Problem mehr dar und ich war fasziniert von dem was ich las.
Vigdis Hjorth erzählt die Geschichte dieser Familie derart brilliant und mit eindringlichen, klaren Worten, das man als Leser förmlich meint, die Zerrissenheit und die Qualen der Erzählerin, die zwar den Kontakt zur Familie abgebrochen, aber die Ereignisse in der Kindheit bis heute nicht abschließend verarbeitet hat, selber zu spüren.
Was ist hier Wahrheit ? Wem glaubt man? Das sind Fragen, die man sich als Leser mehr als einmal stellt. Eine klare Antwort liefert das Buch nicht. Die Bewertung bleibt dem Leser überlassen. Gerade das macht aber für mich den Reiz dieses Buches aus.
Mein Fazit daher:
Ein falsches Wort ist bereits jetzt eines meiner Highlights im Lesejahr 2024.
Wer allerdings eine seichte und spannende Familiengeschichte erwartet oder ein Buch, in dem sich alle offenen Fragen klären, der wird meine Begeisterung für dieses Buch vermutlich nicht teilen können.