Im postapokalyptischen Fluss

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marapaya Avatar

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Ich habe ein Faible für alle Arten von Geschichten über apokalyptische Zustände und Zombiewelten. Keine Ahnung wo die herkommt, weil ich klassische Horrorfilme eigentlich nicht gern mag und diesen Splattermovies auch wenig abgewinnen kann. Aber so eine richtig gute Zombiegeschichte kann mich bestens unterhalten. Wahrscheinlich, weil im Verlauf der Handlung die überlebenden Menschen gruseliger werden als die Untoten. Es gibt nur eine Ausnahme, und zwar „I am Legend“ mit Will Smith. Den im Kino zu schauen, war keine gute Idee. Diese denkenden Zombies haben mich echt noch sehr lange in meinen Träumen verfolgt. Anthony Ryan trifft mit seinem Roman „Ein Fluss so Rot und Schwarz“ ziemlich genau meine Gruselneigung für Dystopie und Apokalypse. Auf einem Militärschiff wachen sechs Menschen on jede Erinnerung auf, die offensichtlich eine Aufgabe zu erfüllen haben und dazu das Boot auf der Themse mittendurch ein postapokalyptisches London navigieren müssen. Während der Fahrt erfahren sie mitunter sehr schmerzlich, welches Schicksal der einstigen Millionenmetropole widerfahren ist und was der gesamten Welt bevorsteht. Aber bis fast zum Schluss ist ihnen nicht klar, für welches Schicksal sie selbst vorgesehen sind.
Ryans Roman ist eigentlich ein Film. Er ist absolut szenisch geschrieben, man kann sich den Bildern, die er beschreibt, gar nicht entziehen. Normalerweise mag ich es nicht sehr, wenn ein Autor zu detailliert und szenisch erzählt. Er behindert damit meistens mein eigenes Kopfkino und ich bleibe immer ein wenig auf Distanz zur Geschichte. Aber hier versteht ein Autor sein Handwerk und baut durch eine geschickt platzierte, bestens getimte Informationsstrategie Spannung und Neugierde auf. Was sich die Crew nach und nach zusammenreimt, ist nie als Gewissheit zu nehmen. Vermeintlich positive Entwicklungen können sich jederzeit zum Nachteil mit Todesurteil entpuppen. So bin ich beim Lesen ständig auf der Hut und immer wenn ich denke, ich weiß wohin die Reise geht, hat Ryan noch eine Überraschung im Ärmel. Was leider auf der Strecke bleibt bei diesem Erzählformat, sind die tiefenwirksamen Charaktere. Ihrer persönlichen Erinnerung beraubt können sie nur für den Moment leben und agieren, besonders auch weil ihnen ihr Spezialwissen erhalten bleibt. Diese These konnte mich nicht richtig überzeugen. Sie passt in die Handlung, ohne Frage. Aber ich bin den Figuren dadurch nicht nah gekommen. Wahrscheinlich war dies auch die Absicht des Autors, denn die Geschichte im Ganzen funktioniert, nur ich war emotional einfach nicht ganz so stark dabei.