Ein Echo hören

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tausendmund Avatar

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Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt Erwartungen an dich hatte, aber das hatte ich nicht kommen sehen: In deiner Form hast du mich überrollt. Hast mich verblüfft, zum Schmunzeln gebracht und nachdenklich gemacht. Es fällt schwer, zu beschreiben, was genau du bist. Roman. Autofiktion. Essay. Historische Abhandlung. All of the above? Vielleicht etwas Neues, in jedem Fall Besonderes. Nie fiel es mir schwerer, eine Rezension aufzusetzen.

„Dies ist ein weiblicher Text.“ Der Kommentar ist nicht nur roter Faden, sondern schlängelt sich durch deine gesamte Essenz und soll mir hier helfen, etwas näher auf dich einzugehen.

Ein Text also. Text. Das Wort kommt vom lat. textus, was mit Gewebe zu übersetzen ist. Das Caoineadh, eine Totenklage Eibhlín Dubh Ní Chonaills über ihren Mann, ist irischer Nationalmythos und der Autorin seit Schulzeiten vertraut. Als sie unter Komplikationen zum vierten Mal Mutter wird, entflammt erneut ihre Faszination für das Lied. Im Zustand gnadenloser Erschöpfung übersetzt Ní Ghríofa das Leid einer anderen vom Irischen ins Englische. Macht den Schmerz sichtbar und verfügbar. Verwebt das eigene Leben mit dem Eibhlíns. Sammelt, wirkt. Und verschmilzt schließlich Vergangenheit und Gegenwart.

Ein weiblicher Text. Weiblich. Ní Ghríofa nimmt das Echo einer Frau wahr, von der sie sowohl Jahrhunderte, als auch zahlreiche Lebensrealitäten getrennt ist. Und doch fällt es ihr so leicht: die Synchronisierung mit Eibhlín, mit ihrem Herzen. Die Wunde einer weiblichen Abwesenheit, wie so oft. Die Tilgung eines Frauenlebens aus der Geschichte. Nahezu besessen beschäftigt sich Ní Ghríofa mit den Texturen weiblicher Leerstellen.

Und wozu? Auch das ist roter Faden, zieht sich durch Ní Ghríofas Alltag. Immer wieder: Was ist der Grund für diese Obsession?
Für mich bist du selbst die Antwort. Du, dieser gesamte Texte, ein durch und durch weiblicher Text. Die Liebe.