Sprachlich außergewöhnlich

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nathalielamieux Avatar

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Es gibt Bücher, die entziehen sich einer klaren Beschreibung dessen, was sie sind. Das bereits mehrfach ausgezeichnete „Ein Geist in der Kehle“ von Doireann Ní Ghríofa, Essayistin und Lyrikern, übersetzt von Cornelius Reiber (Text) und Jens Friebe (Lyrik) ist ein solches. Was klar ist: „dies ist ein weiblicher Text“.
Viele irische Schüler müssen sich mit dem „Caoineadh Airt Ui Laoghaire“, einem Trauerlied und Totenklage für ihren Ehemann von Eibhlin Dubh Ni Chonaill aus dem 18. Jahrhundert beschäftigen. Auch die Protagonistin kennt diese Verse seit ihrer Kindheit. Ich lerne sie kennen als Mutter von drei Kindern, die versucht den Alltag zu bewältigen. Sie managed den Haushalt, kümmert sich um die Kinder, stillt, pumpt Milch ab als Spende für Kinder auf Säuglingsstationen. Sie schreibt Todo-Listen, nur um das Gefühl zu haben, etwas abhaken zu können und damit geschafft zu haben. Ein viertes Kind wird geboren und muss auf die Säuglingsstation. In all diesem alltäglichen Kampf geht sie selbst Stückchen für Stückchen verloren. Die Verse von Eibhlin Dubh Ni Chonaill finden erneut den Weg zu ihr und lassen sie nicht mehr los. Jede freie Minute beschäftigt sie sich nun mit diesem Trauerlied, liest und rezitiert beim Stillen und beginnt das Leben der Dichterin nachzuzeichnen. Und wie die Frau häufig in der Mutter verloren geht, so geht auch die Spur von Eibhlin Dubh Ni Chonaill bald nach ihrem Trauerlied verloren. Was bleibt, sind männliche Quellen. Sie versucht herauszufinden, was geschah, aber es gibt nur noch männliche Aufzeichnungen ihrer Nachkommen. Und so sucht sie die Frau in den Texten über Männer. Geschichtsschreibung ist männlich, so viele weibliche Texte sind in den vergangenen Jahrhunderten verloren gegangen. „Dies ist ein weiblicher Text“ ist dem Buch bereits auf dem Cover vorangestellt. Und es ist genau das. Es ist eine wunderbare Mischung aus einem Memoir und einer literarischen Spurensuche. Über Frauen, über Liebe, über Lyrik. Über unseren Platz in der Welt, über Mutterschaft und Wege, in einer männlichen Gesellschaft verloren zu gehen. Eine feministische Perspektive, die man nur als individuell universell benennen kann. Ein sprachlich wirklich außergewöhnliches Buch!