Fein gesponnen und gut recherchiert

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marga_pk Avatar

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Triest, im Juni 2014. Alles beginnt mit einem Selbstmord. Bei der am Baum aufgeknüpften Soldatenleiche passt zwar so einiges nicht, wie Ispettore Lamprecht findet, aber die anderen schütteln bei seinen Bemerkungen nur den Kopf. Nein, nein, das sei doch ganz eindeutig, er verrenne sich da in etwas, außerdem sei die Angelegenheit sowieso Sache des Militärs. Selbst der Mediziner, dem doch eigentlich die Leichenflecken aufgefallen sein müssten, wimmelt ihn unwirsch ab.
Aber was ist schon ein vielleicht ermordeter Soldat gegen einen tatsächlich ermordeten Thronfolger? Als wäre das geglückte Attentat auf die Monarchie nicht genug Bedrohung für den ohnehin brüchigen Frieden, wird auch noch die Entführung der Leichname von Franz Ferdinand und seiner Frau angekündigt.
Eigentlich will der junge, dem Radsport ergebene Ispettor Gaetano Lamprecht mit Politik nichts zu tun haben. Alles, was sich der hitzköpfige Halbitaliener, der Wien nach einem Duell verlassen musste, wünscht, ist, dass er Verbrecher zur Strecke bringen und mit seinem Rennrad trainieren darf. Und dass es den Menschen in Triest weiterhin gut geht. Deswegen hält er auch von den Nationalisten wenig. Und überhaupt, warum verlangt plötzlich jeder, dass er sich für die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe entscheidet?

Meine Meinung:
“Ein Giro in Triest” ist kein Krimi nach 08/15-Strickmuster. Denn Klinger wirft die Frage auf, ob die Bemühungen des Ispettors, den Frieden zu bewahren, letztendlich nicht genau das Gegenteil bewirken. Abgesehen von dem historisch spannenden Setting ist der Roman dramaturgisch geschickt gewebt und in einer unaufgeregten, ruhigen Sprache verfasst. Selbst während der spannenden Szenen blättert man dadurch nie zu ungeduldig oder gar entnervt weiter, denn Klinger lässt es erst gar nicht so weit kommen. Beispiel: Ausgerechnet als Gaetano Lamprecht massiv unter Zeitdruck gerät, schiebt der Autor seelenruhig ein Kapitel aus der Vergangenheit seines Protagonisten ein. Und natürlich ist es genau jener Rückblick, auf den man schon so lange gewartet hat.
Gerade dieser Mix aus guter Recherche, klugem Plot, ruhigem Erzählton und trotzdem stetig zunehmendem Tempo (denn der leidenschaftliche Ispettor gerät mehrmals in äußerst brenzlige Situationen) macht diesen Krimi zum wahren Lesegenuss.
Und am Ende, als schon fast alles geklärt ist, gibt's noch eine Überraschung aus der Verwandtschaft.

Fazit: Eine ganz klare Empfehlung, selbst für jene, die Krimis selten lesen.