Der Zitronenhain

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milena Avatar

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Helen Walsh Buch "Ein mallorquinischer Sommer" heißt im Original "The lemon grove", was ich zutreffender finde, denn im Mittelpunkt steht nicht Mallorca und der Sommerurlaub, was das Buch auch nicht unbedingt zur Poollektüre macht, sondern das Aufeinandertreffen von Jenn und Nathan, einer Frau in den mittleren Jahren und einem 17-jährigen Teenager. Jennifer, genannt Jenn, und ihr Ehemann Greg verbringen wie jedes Jahr ihren Urlaub in der Villa Ana in Deià auf Mallorca. Die zwei Wochen sind der Luxus, den sie sich zum Ausgleich für ihr stressiges Arbeitsleben in Manchester gönnen. Jennifer hat sich hochgearbeitet zur Leiterin eines Pflegeheimes und steckt in einer kleinen Krise. Sie hat sich nur mühsam vom Gedanken an ein eigenes Kind mit Greg verabschiedet, ihr schwant auch, dass der Traum von einem eigenen Haus auf Mallorca unerfüllt bleiben wird und sie leidet darunter, dass die 15-jährige Stieftochter Emma sie nicht vorbehaltlos als Mutter anerkennt. Emma ist zickig, verwöhnt und spielt die beiden Erwachsenen gegeneinander aus, ein typischer Teenager in der späten Pubertät eben. Greg, Dozent für Englisch, steckt in einer beruflichen Krise, deren Ausmaß er der Familie noch nicht offenbart hat, und hat sich eigentlich auf ruhige Tage gefreut, die er zum Teil seinen eigenen literarischen Ambitionen widmen will. Doch Emma hat erzwungen, dass Jenn und Greg eine Woche allein auf Mallorca verbringen und sie zusammen mit ihrem Freund Nath in der zweiten Woche nachkommt.
Jenn und Greg sind sehr skeptisch, finden ihre Tochter auch zu jung für gemeinsame Ferien mit dem Freund und sehen der Ankunft der beiden sehr skeptisch entgegen. Nach Ankunft der beiden, wird sehr schnell deutlich, dass Jenn sich in einem ungeheuren Maße von der jugendlichen Körperlichkeit des 17-jährigen Nathans angezogen fühlt. Ihre Sexualität mit Greg verläuft in ruhigen Bahnen, so dass die erotische Anziehungskraft, die der Junge auf sie ausübt, sie verirrt, irritiert, sie sich aber auch nicht entziehen kann. Nathan erkennt dies umgehend und provoziert und spielt das erotische Spiel in einem Ausmaß, die man einem 17-jährigen Schüler so auch nicht abnimmt. Jenn setzt ihre gesamte bürgerliche Existenz innerhalb von einigen Tagen aufs Spiel, indem sie sich Nathan und ihrer sexuellen Lust, von der Gegenwart von Ehemann und Stieftochter nahezu unbeeindruckt, unterwirft und, zum Teil literarisch derb geschildert, ausliefert. Schlussendlich kommt sie zur Vernunft, Nathan reist ab, und der Familiensegen ist wieder hergestellt. Meine Meinung zu dem Roman ist zwiespältig. Auf der einen Seite gelingt es der sprachlich versierten Autorin schnell, das Atmosphärische dieser Urlaubstage in der Villa wiederzugeben, auf der anderen Seite bleiben die Personen blass und belanglos. Greg ist gewohnt, dass sich das Familienleben um ihn dreht, er doziert und bestimmt die Richtung und verdrängt sein berufliches Scheitern. Jenn schätzt auf der einen Seite die Geborgenheit, die sie bei ihm findet, auf der anderen Seite bleiben ihre Wünsche unerfüllt. Aber dass nun gerade dieses Jüngelchen, der neben seiner körperlichen Physis keinen weiteren Eindruck hinterlässt, der Anlass sein soll ihr bisheriges Leben zu gefährden, bleibt unglaubwürdig.