Nette Sommerlektüre mit einigen Schwächen

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octavian Avatar

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Die Leseprobe zu "Ein mallorquinischer Sommer" von Helen Walsh hatte mich direkt angesprochen, da die Atmosphäre Mallorcas super auf meinen eigenen Urlaub einstimmte.
An Hand der ersten Seiten, die ich durch die Leseprobe bereits lesen konnte, wusste ich in etwa, was mich im Buch erwartet.
Jenn macht mit ihrem Mann Urlaub auf Mallorca in Déia. Ihre Stieftochter Emma, mit der sie sich einst gut verstanden hat, soll nach einiger Zeit nachkommen und und ihren Freund Nathan mitbringen.
Jenn weiß um die Schwierigkeiten, die sie seit einiger Zeit im Umgang mit Emma hat und befürchtet bereits das Schlimmste: Emma wird sich daneben benehmen, ihr Vater wird sie in Schutz nehmen und dieser Nathan wird langweilig sein. Alle zusammen werden sie Jenns Sommerurlaub auf Mallorca ruinieren.
Dann kommt es aber doch etwas anders, denn Nathan ist ein extrem reifer 17-jähriger und zwischen ihm und Jenn entwickelt sich schon bald eine Beziehung, die alles gefährden kann.

Zunächst einmal zur Geschichte an sich:
Die Story ist recht simpel aufgebaut und nichts Neues. Dennoch wird sie in einem flüssigen Stil verpackt und somit nicht langweilig, auch wenn die meisten Ereignisse sehr vorhersehbar sind. So ist zum Beispiel schnell klar, dass zwischen Nathan und Jenn irgendetwas passieren wird.
Und gerade hier kamen für mich die ersten Schwächen: Auch wenn Nathan ein extrem reifer, extrem gutaussehnder junger Mann ist - Jenns Reaktionen waren teilweise einfach zu heftig. Sie ist Mitte 40, was nicht bedeutet, dass sie an einem jungen Typen wie Nate keinen Gefallen finden kann. Aber ihre Atemlosigkeit und Nervosität erschien mir manchmal doch etwas zu krass für doch recht harmlose Situationen.
Kleinere Lücken waren vielleicht auch nur ungenaue Beschreibungen, die mir immer wieder aufgefallen sind: An Türen, die eigentlich offen standen, wurde plötzlich geklopft, weil sie verschlossen waren, etc. Aber das sind Kleinigkeiten, die den Lesefluss nur minimal ins Stocken gebracht haben.
Für ein zumeist fließendes Leseerlebnis sorgt der schwungvolle Schreibstil von Helen Walsh. Zusammen mit unkomplizierter Sprache und gut eingefangener Atmosphäre macht er "Ein mallorquinischer Sommer" zu der kurzweiligen Sommerlektüre, die ich erwartet hatte.

Zu den Charakteren:
Jenns Reaktionen waren mir wie gesagt teilweise etwas zu überzogen. Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, was mit ihr passiert, denn kaum etwas lässt zu Beginn des Buches darauf schließen, dass sie sich in ihrer Ehe unwohl, missverstanden, vernachlässigt oder unbefriedigt fühlt. Das wird allerhöchstens in Nebensächlichkeiten angedeutet, kann aber genauso gut von mir falsch interpretiert worden sein, weil ich nach solchen Hinweisen gesucht habe.
Einzig und allein ihre gestörte Beziehung zu ihrer Stieftochter Emma lässt Grund zur Unzufridenheit aufkommen.
Dann habe ich mich gefragt, was für ein Typ Nathan eigentlich ist. Entweder hat er bei seinem Alter gelogen, oder er ist stark triebgesteuert. Achtung, Spoiler! Er hat Emma direkt mit drei anderen Frauen betrogen und das innerhalb weniger Wochen. Das kam mir doch etwas übertrieben vor. Zum Ende des Buches hin wirkter er auf mich auch eher wie ein Psychopath und ich weiß nicht, ob das so beabsichtigt war.

Das Ende der Geschichte erschien mir angenehm offen: Zuletzt weiß der Leser nicht genau, ob Jenns Mann ihre Affäre bereits durchschaut hat oder es zumindest noch tun wird.

Alles in allem ist "Ein mallorquinischer Sommer" von Helen Walsh eine angenehm kurzweilige Sommerlektüre mit einer guten Portion Erotik, die selten plump wirkt. Meine aufgeführten Kritikpunkte wären vielleicht manchem Leser gar nicht störend aufgefallen. Als kurzer Urlaubsroman ist das Buch also absolut in Ordnung.