Kriegsveteran mit neuer Mission

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theresia626 Avatar

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In dem Roman „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ von Derek B. Miller geht es um den 82jährigen amerikanischen Juden Sheldon Horowitz. Er ist ein ehemaliger Marinesoldat und war als Scharfschütze im Koreakrieg, auch wenn seine verstorbene Frau Mabel ihn als langweiligen Angestellten in Pusan sah, der niemals an Kampfhandlungen teilgenommen hat. Doch Sheldon, der sich als Jugendlicher freiwillig meldete und im Krieg Donny genannt wurde, erhält für seine heldenhafte Tat bei der Schlacht um Incheon die Navy Commendation Medal und bekommt das Purple Heart verliehen. Beide Medaillen sind seit Jahren nicht mehr auffindbar. Sie sind Beweise dafür, dass seine Erzählungen aus vergangenen Tagen stimmen und er nicht, wie seine Frau vermutete, an Demenz leidet und seine Erinnerungen ihn langsam im Stich lassen. Nach dem Krieg begeisterte sich Sheldon für die Fotografie und wurde auch ein bekannter Fotograf. Er sammelte auf seinen Reisen Fotos von Leuten und veröffentlichte diese in einem Buch, dem er einen seltsamen Titel gibt. Später spezialisierte er sich auf Uhrenreparaturen.

Es ist Sommer, und Sheldon ist auf Wunsch seiner Enkelin Rhea, die ihn liebevoll Papa nennt, vor drei Wochen von New York nach Oslo gezogen. Jetzt gibt es für ihn kein Zurück mehr, die Wohnung in Gramercy wurde verkauft. Lars, dem neuen Ehemann von Rhea, gehört eine hübsche doppelstöckige Wohnung in der Nähe des Troyenparken, die wegen ihrer Raumaufteilung wie ein New Yorker Loft wirkt, die Gegend kommt Sheldon allerdings wie die Bronx vor. Er sieht hier nichts als Gefahren, es kommen immer mehr Menschen aus Pakistan und vom Balkan. Lars arbeitet als Spieleentwickler und Rhea ist Architektin. Sie ist das einzige Kind von Sheldons und Mabels Sohn Saul und die einzige Verwandte, die Sheldon noch geblieben ist. Rheas Vater starb vor über 40 Jahren in Vietnam bei einer Such- und Rettungsaktion, und Sheldon hat seinen Verlust niemals verkraftet.

Eines Tages - Lars und Rhea machen einen Spaziergang - gibt es einen lauten Knall im Haus und eine junge Frau um die dreißig steht plötzlich vor Sheldons Tür. Er vermutet, dass es sich um eine Asylbewerberin handelt, die in seinen Augen in Oslo völlig fehl am Platz ist. „Seine erste Regung ist Mitleid. Nicht für die Person, die sie ist, sondern für die Umstände, denen sie ausgeliefert ist.“ (S. 42) Er lässt sie und ihren kleinen Sohn in die Wohnung. Später versteckt er den Jungen vor den Mördern seiner Mutter im Schrank.

Sheldon ist ein ungeduldiger, knurriger Zeitgenosse, der sich einbildet, von Faschisten umgeben zu sein und von Koreanern verfolgt zu werden. Die Leseprobe liest sich recht gut, ist allerdings viel zu lang. Der Autor wechselt öfters die Erzählperspektiven und gibt dem Leser so einen Einblick in Sheldons Vergangenheit, in Zeiten, die ihn nicht mehr loslassen. „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ verspricht eine interessante Mischung aus Familiengeschichte und Thriller zu werden.