"Jeder muss das Blatt spielen, das er bekommt"

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barbara62 Avatar

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Ginge es rein nach den familiären Voraussetzungen, hätte eigentlich Lorrie Ann die besseren Karten gehabt. Aufgewachsen in einer zwar armen, aber (scheinbar?) sehr glücklichen Familie, wird sie von ihrer engen Freundin und Ich-Erzählerin Mia förmlich vergöttert. Mias Los ist weitaus weniger beneidenswert: eine alkoholsüchtige Mutter, ein durchgebrannter Vater, ein Stiefvater, zwei kleine Halbbrüder, für die sie verantwortlich ist, und ein chaotisches Zuhause.

Bis zum 18. Lebensjahr leben Mia und Lorrie Ann wie „gegensätzliche Zwillinge“ untrennbar in Corona del Mar, einem verschlafenen südkalifornischen Küstennest. Gemeinsam stehen sie Mias heimliche Abtreibung in der zehnten Klasse durch und planen, nach dem Highschool-Abschluss zusammen in Berkeley zu studieren. Doch mit dem Tod von Lorrie Anns Vater bei einem Motorradunfall setzt für Lorrie Ann eine schier unglaubliche Abwärtsspirale ein, während Mia zum Studium der Altphilologie nach Yale geht, Karriere macht und mit dem Dozenten Franklin auch privat ihr Glück findet.

Nach dem sehr guten Beginn im ersten Viertel des Buches habe ich leider den Bezug zu den beiden Protagonistinnen immer mehr verloren, vor allem zu Lorrie Ann, und spätestens ab der Mitte des Buches wurde die Lektüre für mich mühsam. Umso enttäuschter war ich, dass ich am Ende keinerlei Beweggründe für Lorrie Anns Verhalten erkennen konnte, auf die ich gehofft hatte. In meinen Augen hätte man sowohl aus dem zentralen Thema, wie gut wir uns nahestehende Menschen wirklich kennen, als auch bei den oberflächlich angerissenen ethischen Fragen um Abtreibung und Sterbehilfe deutlich mehr herausholen können. Schade, denn so wird der Debütroman von Rufi Thorpe kaum bleibende Spuren bei mir hinterlassen und ich kann nicht mehr als knappe drei Sterne dafür vergeben. Darüber hinaus hat sich mir der deutsche Titel nicht erschlossen, der Originaltitel "The Girls from Corona del Mar" passt in meinen Augen ungleich besser.