Never judge a book by its cover ...

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julie1602 Avatar

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Der Spruch aus der Überschrift ist zwar altbekannt, aber zumindest ich habe noch nie zuvor ein Buch gelesen, dessen Titel und Cover tatsächlich so wenig zum Inhalt passen, wie es bei diesem Roman der Fall ist. Ich kann mir wirklich nicht erklären, was sich der Verlag dabei gedacht hat. Die Handlung spielt nicht in einem einzigen Sommer, sondern während einer Zeitspanne von gut 15 Jahren (und auch nicht hauptsächlich in Corona del Mar), das Cover weckt die völlig falsche Vorstellung einer leichten und heiteren Urlaubslektüre - und nicht zuletzt sind "Unwiderstehlich" oder "Bezaubernd" - die Urteile zweier Frauenzeitschriften, die auf dem Umschlag zitiert werden - so ziemlich die letzten Assoziationen, die ich zu dieser überwiegend sehr düsteren und traurigen Geschichte habe. (Im Original heißt der Roman übrigens "The Girls from Corona del Mar", was wesentlich neutraler und stimmiger ist und problemlos besser ins Deutsche hätte übertragen werden können.)

Losgelöst von diesen Unstimmigkeiten, für die die Autorin sicher nichts kann, bewerte ich im Folgenden nur noch die Geschichte, die mir außerordentlich gut gefallen hat. Lorrie Ann und Mia wachsen als beste Freundinnen in der kalifornischen Kleinstadt Corona del Mar auf und könnten trotz ihrer engen Bindung kaum unterschiedlicher sein - während Lorrie Ann als wunderschönes, engelsgleiches Wesen dargestellt wird, sieht sich die Ich-Erzählerin Mia als die "Böse" der beiden, ohne jedoch ein schlechtes Gewissen wegen ihres "schwarzen Herzens" zu haben. Als junge Erwachsene entfernen sich die beiden räumlich und auch emotional immer weiter von einander, treffen sich aber doch immer wieder, und langsam, aber sicher kehren sich die Rollen um ... Oder waren sie von Anfang an gar nicht so klar verteilt, wie es schien? Nach und nach und manchmal fast nebenbei werden die großen Themen abgehandelt - Freundschaft, Liebe, Mutterschaft, Leben und Tod, jedoch driftet die Geschichte dabei nie in die Untiefen der Küchenpsychologie oder -philosophie ab und belehrt auch nicht, sondern regt eher zum Nachdenken an.

Die Erzählstruktur fußt auf vielen Rückblenden, die zum Teil etwas lang(atmig) geraten sind. In Verbindung mit dem einen oder anderen sehr abrupten und unerwarteten Zeitsprung macht dies aber auch einen ganz eigenen Reiz aus. Die Übersetzung ist ebenfalls gut gelungen, sodass mich das Buch auch sprachlich fesselte. Alles in allem eine klare Leseempfehlung - man sollte nur darauf gefasst sein, etwas wirklich völlig anderes zu bekommen, als Titel und Cover glauben machen. Den seichten Frauenroman für zwischendurch wird man hier ganz sicher nicht finden.