Eine Frau muss Geld und ein Zimmer für sich allein haben (Virginia Woolfe)

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Thema des Buches ist ein Evergreen: Eine betrogene Ehefrau Roxy, die vor und nach dem Tod ihres Vaters Zeit mit ihrer Mutter verbringt, den Chauffeur-Dienst ihres Vaters weiterführt und zuhause nicht mehr so zur Verfügung steht, wie die Familie es gewohnt war. Ihr Gatte Dave ist ihr zunächst zwar eine Stütze, fühlt sich dann aber vernachlässigt und macht es sich leicht und holt sich die Nachbarin ins Bett. Der Rest des Buches befasst sich damit, wie Roxy damit umgehen soll.


Ein Chauffeurdienst hat Roxy schon immer Spaß gemacht, sie fährt gut und sicher und kann sich auf ihre Fahrgäste einstellen. Und einen Chauffeur bestellt nicht jeder, da gehört schon etwas Planung und natürlich auch das nötige Kleingeld mit dazu. Und so lernt Roxy auf ihren Touren so manchen Promi, bekannt aus Funk und Fernsehen, kennen. Was zunächst aus der Not geboren schien, macht ihr Spaß, trägt zu mehr Selbstsicherheit bei und sie genießt ihre neuen Freiheiten.

Der Roman spielt in Irland und man kann davon ausgehen, dass Irland auch heute noch konservativer ist als der Rest Europas. Es ist zwar mittlerweile anerkannt, dass Frauen arbeiten, aber mehr, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Weniger, um sich freizuschwimmen, Spaß an der Arbeit zu haben und hinterher finanziell unabhängig zu sein. Vielerorts ist der Mann noch stolz darauf, seine Familie allein ernähren zu können. Die Finanzkrise, die in mehreren Passagen erwähnt wird, mag dazu beigetragen haben, dass sich Frauen weiter emanzipiert haben, das geschah aber mehr aus der Not heraus, zum Einkommen beitragen zu müssen. Roxy war über viele Jahre die perfekte Ehefrau, die ihren Mann unterstützte, die Kinder aufzog, für ihre Eltern da war. Und mit dem Seitensprung ihres Mannes, der erzwungenen kurzzeitigen Trennung und der Aufnahme eines eigenen Geschäfts, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, stellt sie fest, dass es noch mehr im Leben gibt, sie gewinnt Selbstvertrauen und wird sich bewusst, dass sie etwas kann, was nicht jeder kann.

Ich bin mir schon sicher, dass Dave Roxy liebt und sie vermisst. Aber es ist mehr eine selbstbezogene Liebe, er will sein altes Leben wiederhaben, in dem er umsorgt wurde, in dem ihm alles abgenommen wurde und in dem er Macht über seine Frau hatte. Er bestimmt die Richtlinien ihres gemeinsamen Lebens. Dafür akzeptiert er durchaus, dass die finanzielle Sorge um die Familie auf ihm lastet. Interessant ist, dass mit dieser Liebe ein Anspruch verbunden ist. Dave gibt unumwunden seinen Fehler zu, entschuldigt sich und ist fest davon überzeugt, damit genug getan zu haben. Er will zur alten Tagesordnung zurück. Jetzt soll Roxy sich wieder unterordnen, bestenfalls im Supermarkt an der Kasse arbeiten wie die meisten ihrer Freundinnen.

Es scheint ein Widerspruch in sich zu sein, entweder Familie oder ein anspruchsvollerer Job. Und zunächst einmal sieht das nicht nur Dave so, sondern auch Roxy’s Mutter und manche ihrer Freundinnen. Natürlich ist es eine Herausforderung, Familienleben und Beruf unter einen Hut zu bringen und oft genug ist das Chaos vorprogrammiert, wenn Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Die Gesellschaft ist nicht auf der Seite der Frauen, schließlich haben sich die Frauen jahrhundertelang untergeordnet, das sitzt tief. Auch andere berufstätige Frauen sind durchaus nicht solidarisch, wie man an der Schuldirektorin ablesen kann, die ungehalten ist, als Roxy nicht sofort ihre Tochter von der Schule abholt, als diese sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hat.
Ich gebe zu, dass ich dieses Buch zu Anfang sehr langatmig fand, es passiert ja nicht wirklich viel und meistens folgt man Roxys Gedanken. Je weiter ich las, desto mehr schätzte ich es aber, diesen Gedanken zu folgen. Roxy trifft ihre Überlegungen nach reichlichem Nachdenken, sie gibt ihrem Mann durchaus die Chance, die Ehe zu retten.

Und so ist es schließlich nicht der Seitensprung, der das Eheende einläutet, sondern Daves Weigerung, über seinen eigenen Horizont hinauszublicken und die Wünsche seiner Frau zu respektieren. Es ist schon krass, dass er ohne ihre Zustimmung den Wagen verkauft hätte und ihr eine Weiterarbeit verbieten will. Und auch ein drittes Kind sollte eine gemeinsame Entscheidung sein und nicht nur die eines Partners.
Was mich aber wirklich betroffen machte, war der schnelle Umzug Daves zur Nachbarin, mit der er beim Seitensprung erwischt wurde. Wie beschrieb es Roxys Mutter so schön:
Frauen trauern um einen geliebten Menschen, Männer ersetzen ihn.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Bei der Buchgestaltung würde ich ein paar Abstriche machen. Das Cover ist zwar farbenfroh und aufmerksamkeitssstark, erinnert mich aber eher an ein mediterranes Motiv und eine Ausfahrt im Cabriolet.