Nicht der Ehemann ist unvollkommen, das Buch ist es

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
justm. Avatar

Von

Roxy, zweifache Mutter und Ehefrau, versucht noch den Tod ihres Vaters zu verdauen, als sie ihren Mann mit der Nachbarin im Bett erwischt. Dieser Moment bringt ihr Leben ins Wanken und sie versucht krampfhaft alles wieder ins Lot zu bringen. Die Frage ist nur: Soll alles so werden, wie es einmal war? Und wenn ja, wie?


Eigentlich hätte der grausige deutsche Titel "Ein unvollkommener Ehemann" schon darauf hindeuten können, was einen erwartet: Als wäre Fremdgehen ein kleiner Charakter-Fehler, der einen Mann eben nicht ganz vollkommen macht.
Der Original-Titel "Her husband's mistake" (Der Fehler ihres Ehemannes) macht es da schon klarer: Der Mann hat einen Fehler gemacht!
Das wird zwar auch immer wieder so im Buch kommuniziert, nicht aber ohne vollkommen überholte 50er Jahre Klischees als eine Art Gegenargument beizubringen. Ohnehin scheint der Ehemann hier im Verlauf des Buches immer mehr zum Antagonisten werden. Wenn nicht für Roxy, dann zumindest für mich, da seine Sprüche und Einstellungen wirklich immer mehr ins Mittelalter abglitten und mich damit immer wütender machten, so daß ich schon Angst hatte, meine Augen würden, vor lauter rollen, im Hinterkopf "hängen bleiben".

Man möchte mich an dieser Stelle nicht falsch verstehen: ich habe nicht erwartet, ein feministisches Manifest zu lesen, aber der Pseudo-Feminismus, der hier an einigen wenigen Stellen wie eine hauchdünne Glanzschicht aufgetragen wurde, ist nerviger (und unglaubwürdiger), als wenn er komplett weggelassen worden wäre.

Dazu kommt die Tatsache, daß obwohl wir als Leser*innen mit Roxy auf eine Art Selbstfindung gehen, so gut wie nichts im Buch passiert.
Eine Knackpunkt im Buch (es geht um ein gefundenes Foto) wird erst sehr spät im Buch geklärt, dabei war von Anfang an klar, worum bzw. um wen es geht.
Die Geschichte, die dann damit verwoben ist, wird immer wieder nur angedeutet, führt aber letzten Endes nirgendwo hin, so daß das Ende das Buches dann im Grunde vollkommen übereilt und "unfertig" wirkt.

Alles in allem ist das Buch eine Enttäuschung:
Eine Geschichte, die so viel hätte hergeben können, sich aber in unnötigen Details verliert, wo Charakterbildung wichtig gewesen wäre; die in Richtung "female empowerment" hätte gehen können, aber einfach nicht die korrekte Dosis fand; die stattdessen auch einfach ein leichtes / seichtes "Sommer-Buch" hätte werden können, aber dafür einfach nicht die Leichtigkeit besaß. Alle Teile, die das Buch ausmachen, wirken, als wären sie in eine Unwucht geraten, die so eben nur ein schiefes Gesamtbild abgeben können.

Schade, aber dieses Buch war für mich verschenkte Lese- und Lebenszeit.