Einfach ein gutes Buch

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solie Avatar

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Die Frage der Chemie hat sich bei diesem Buch glücklicherweise nicht gestellt, denn "Eine Frage der Chemie" von Bonnie Garmus liest sich flüssig, leicht und zügig. Das sind gute Zeichen dafür, dass die Chemie stimmt - sowohl die innerhalb des Romans als auch die Chemie zwischen Leser und Roman.

Genug der Anspielungen, das würde Elizabeth Zott nicht gefallen. Die Protagonistin des Romans ist eine selbstbewusste, junge Frau, deren Ziel es ist, sich in der Wissenschaft, bevorzugt der Chemie, einen Namen zu machen. Das klingt zunächst leicht, das war es allerdings in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ganz und gar nicht. Frauen sollten hübsch aussehen, den Mund halten, das Haus führen und Kinder kriegen. Alles das sind allerdings Dinge, mit denen Elizabeth sich so gar nicht anfreunden möchte. Darum gerät sie in allerlei Schwierigkeiten, insbesondere mit Männern, die mit einer starken und intelligenten Frau nun einmal nichts anfangen können.

Dieser kurze Rahmen lässt schnell erahnen, worum es in dem Roman geht: Die Rolle der Frau wie sie war (nun, ist...) und wie sie sein sollte oder könnte. Trotz des Settings in der Mitte des letzten Jahrhunderts besticht der Roman durch seine Aktualität. Noch immer haben es Frauen (im wissenschaftlichen Bereich) schwer, ihren Platz in der Welt zu behaupten und für gute Arbeit bedingungslose Anerkennung zu erlangen. Glücklicherweise verliert sich die Geschichte nicht in platten feministischen Parolen oder erhobenen Zeigefingern. Der größte Pluspunkt ist hier, dass es Bonnie Garmus gelingt, all diese Dinge mit Hilfe ihrer Protagonistin zu zeigen, statt sie nur zu erzählen.

Warum dann keine fünf Sterne? "Eine Frage der Chemie" ist einfach ein gutes Buch. Man liest es gern, es regt zum Nachdenken an und unterhält trotz des ernsten Grundthemas gut. Die Figuren sind glaubhaft und sympathisch, doch ausgerechnet Elizabeth hat einen großen Makel: Sie ist zu perfekt. Sie ist sehr intelligent, belesen und beinahe allwissend, drückt sich stets eloquent aus. Dazu ist sie aber auch wunderschön, was oft genug erwähnt wird. Eine der größten Herausforderungen ihres Lebens überfordert sie zwar, aber auch das steht sie in einem Maß durch, das fast ein wenig zu glatt gerät. Auch Ereignisse aus der Vergangenheit, die durchaus traumatisierend waren, steckt sie scheinbar großmütig weg. Man kann nun sagen, dass Elizabeth Zott jemand ist, der sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt und das ist inspirierend, aber es ist eben auch zu perfekt.

Dennoch empfehle ich "Eine Frage der Chemie" ohne Ausnahme. Leserinnen und Leser, die dem Weg einer starken Frau folgen möchten, werden hier alle Höhen und Tiefen erleben, mitleiden und mithoffen.