Großartiger Roman über Emanzipation, Wissenschaft und Muttersein

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Chemie ist Leben und Elizabeth Zott lebt Chemie. Als Vollblut-Wissenschaftlerin blüht die Protagonistin von "Eine Frage der Chemie" regelrecht auf, wenn sie mit ihrem Partner Calvin Evans während der Mittagspause über abstrakte Vorgänge wie Abiogenese diskutiert. Beide forschen an einem großen Institut, doch werden nicht gleich behandelt. In den 60er Jahren wird es vielen Frauen noch sehr schwer gemacht eigene Forschung zu verfolgen. Viele Männer stehlen die Ergebnisse und verkaufen sie als die eigenen. Aber nicht Calvin. Er verliebt sich in Elizabeths Verstand und sieht sie als ebenbürtige Gefährtin. Doch ihr Glück währt leider nicht lang.

Bonnie Garmus hat mit diesem Roman so viele, auch heute noch wichtige Themen in einer Geschichte verpackt, dass es einfach lohnenswert ist, das Buch zu lesen. Trotz des ernsten Hintergrunds hat sie es durch die Nebenfigur des Halbsieben, dem zugelaufenen Hund von Elizabeth, und die amüsanten, abstrusen Dialoge und Gedanken von Mad, Elizabeths Tochter, geschafft einen leichten Ton anzuschlagen. Die Lektüre macht Spaß und bildet.
Die Hauptfigur Elizabeth ist vielleicht auf den ersten Blick nicht die sympathischste. Sie lacht nicht viel, ist vorlaut und störrisch. Aber sie wird auch nicht gleichberechtigt behandelt, sondern vielmehr klein gehalten und nicht ernst genommen. Es ist eine Schande, dass allein das Geschlecht damals wie heute über Einkommen, Bildungschancen und Ansehen entscheiden kann. Deshalb braucht es mehr Elizabeths, um das zu ändern.
Ihre Tochter Mad(eline) würde, wenn man die Geschichte weiter erzählen würde, mit Sicherheit ebenfalls erfolgreiche Wissenschaftlerin, denn ihre Intelligenz ist bereits in jungen Jahren überragend. Sie versteckt sie sogar vor ihren Mitschülern und Lehrern. Beider Biographien sind tragisch, dadurch fühlt man sehr mit den beiden mit und freut sich gerade deshalb über die kleinen Wunder, die ihnen dann doch ab und zu widerfahren.

"Eine Frage der Chemie" ist eines der besten Bücher der letzten Zeit, weil es zugleich Familien- und Zeitgeschichte ist, darüber hinaus witzig, pointiert und gleichzeitig geistreich und motivierend. Am liebsten würde ich einen ganzen Stapel davon kaufen und die Bücher an Freunde, Kollegen und Familie verschenken.