Lügen, Lügen und noch mehr Lügen

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owenmeany Avatar

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Dieser Roman handelt von zwei Wissenschaftlern, männlich und weiblich, denen in frühester Kindheit schon ihre Fähigkeit, Bindungen einzugehen, auf grausame Art zerstört wurde. Während er im Wissenschaftsbetrieb Erfolge erzielt, werden ihr fortwährend Knüppel zwischen die Beine geschmissen.

Unglaublich, was Frauen erdulden mussten in den Sechzigerjahren, wenn sie sich nicht zum Mainstream gehörig fühlten. Das fängt bei der Negierung ihres Intellekts an und hört bei physischen Übergriffen noch lange nicht auf.

Diese beiden Chemiker werden schnell ihrer Affinität gewahr und dürfen ein kurzes gemeinsames Glück erleben, bis ihre Insel der Seligen inmitten eines Meers der Böswilligen von einem grausamen Schicksal überflutet wird.

Danach wird es für Liz erst recht erbarmungslos. Um überleben zu können mit ihrer Tochter Mad, fügt sie sich vordergründig in eine weibliche Rolle, indem sie sehr erfolgreich, aber doch auf ihre eigene Weise eine Kochsendung ganz anders moderiert, als es den gängigen Erwartungen entspricht. Dabei stellt sie jegliche soziale Verbindlichkeiten der Epoche auf den Kopf, eckt besonders bei Männern an, erfährt aber auch von Frauen keine Solidarität, bis sich herausstellt, dass ihre stärkste Widersacherin im Institut vom gleichen Trauma gezeichnet ist und ihr zum Abschied noch einen Trumpf in die Hand drückt.

Solche seltenen Glücksmomente treiben sie letztendlich voran, einige wenige Verbündete helfen ihr, sich zu behaupten.

Mir als Leser sträubt sich das Fell ob der moralischen Verkommenheit in den Organisationen und vor allem auch der Kirche. In diesem Schwarzbuch der Frauenfeindlichkeit konstruieren sich alle Beteiligten die Realität gerade so, wie sie es brauchen: "Ich lebe in der realen Welt, und in dieser Welt sagen und tun wir einiges, um unsere blöden Jobs zu behalten!" (S. 332) Erst vor Kurzem hat es die "Me Too"-Bewegung ans Licht gebracht, was da tatsächlich hinter den Kulissen vor sich ging.

Bei all dem Aufbegehren gegen die brutalen Konventionen stören auch die surrealistischen Elemente nicht mit der hochbegabten Tochter und dem Hund voller ungewöhnlicher Fähigkeiten.

Einen Spannungsbogen durch das ganze Buch zeichnet das Rätsel um Calvins verschwundenen Vater, das in den eingeflochtenen Waisenhausepisoden peu à peu umkreist und am Ende gelüftet wird durch einen Showdown mit einem fast märchenhaften Schluss.