Wenn sich die Erde zu langsam dreht

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Elisabeth Zott ist Chemikerin. Aber sie ist leider in der falschen Zeit geboren, nämlich in einer Zeit, in der weibliche Wissenschaftlerinnen noch weniger Aufmerksamkeit gewidmet wurde als heute. Damals sollten die Frauen zu Hause bleiben, den Haushalt führen und die Kinder hüten.

Die sechziger Jahre sind eine Männerwelt, doch dann betritt Elisabeth Zott diese und sorgt für ordentlich Trubel. Dabei lässt sie so gut wie kein Fettnäpfchen aus. Wird sie sich letztendlich durchsetzen?

Cover und Schreibstil:
Das Cover von „Eine Frage der Chemie“ ist wunderschön und wäre mir im Buchladen auf jeden Fall aufgefallen. Es zeigt das Porträt einer Frau im Look der sechziger Jahre, die scheinbar wild entschlossen in die Kamera blickt. Somit passt dieses Cover gut zum Inhalt des Buches. Mir fehlt allerdings der allgegenwärtige Bleistift hinter dem Ohr …

Der Schreibstil von Bonnie Garmus ist flüssig und überzeugend. Manchmal verliert sie sich meiner Meinung nach leider zu sehr in Einzelheiten, so dass dieser Roman durchaus Längen aufweist. Diese Längen konnte ich aber gut tolerieren.

Man sucht beim Lesen ständig die Moral der Geschichte und fragt sich, was die Botschaft der Autorin ist, was ein wenig anstrengend war. Der Originaltitel „Lessons in Chemistry“ ist deswegen auch viel passender, finde ich.

Mein Eindruck vom Hörbuch:
Ich war von der Lesung ein wenig verwöhnt, weil die Schauspielerin Katharina Bach mehrere Passagen aus dem Buch ganz exzellent vorgelesen hat. Die Hörbuchstimme (Luise Helm) war ebenfalls höchst professionell, aber es war dennoch ein wenig anstrengend, zuzuhören. Kein Wunder bei einer Länge des Hörbuchs von fast vierzehn Stunden. Was mir beim Hörbuch gefallen hat, war aber die Leidenschaft, mit der es vorgelesen wurde. Vielen Dank dafür!


Fazit:
„Eine Frage der Chemie“ wird aktuell in den Medien ziemlich beworben. Nachdem ich das Glück hatte, der einzigen offiziellen Lesung von Bonnie Garmus in Deutschland per Livestream beiwohnen zu dürfen, musste ich dieses Buch haben.
Und noch einmal hatte ich Glück, denn der Hörbuch Hamburg Verlag stellte mir über NetGalley das Hörbuch von „Eine Frage der Chemie“ kostenlos zur Verfügung.

Das Buch ist keine leichte Kost. Man kann es nicht so „einfach weglesen“ bzw. „weghören“, denn dazu ist es zu aufrührerisch, zu intelligent und zu emotional. Bonnie Garmus versucht eine Generalabrechnung und macht nicht Halt vor Themen wie Sexismus, Rassimus, Gewalt und Ignoranz.

Auf der anderen Seite ist das Buch aber auch auf seine Art humorvoll und unterhaltsam. Viele der eher lustigen Passagen bieten eine Situationskomik, die ich persönlich nur selten in Büchern dieser Art gefunden habe. Dass Bonnie Garmus zu so etwas sagen wir mal „Schelmenhaftem“ in der Lage ist, hat man ihr, finde ich, bei der Lesung angesehen.

Und darüber hinaus ist das Buch auch etwas fürs Herz. Ausgangspunkt der Entwicklung der Hauptprotagonistin ist ihre große, ehrliche Liebe zu einem Mann. Und sie kümmert sich rührend um ihre Tochter und den Familienhund Halbsieben.

Literatur darf alles. Und so gibt es in „Eine Frage der Chemie“ eine wissenschaftliche Kochshow und einen wundersamen Hund. Diese Promenadenmischung mit dem merkwürdigen Namen „Halbsieben“ lernt Wörter und versteht am Ende angeblich über 400.

Leseempfehlung:
Für mich ist „Eine Frage der Chemie“ ein Frauenbuch, und vielleicht war dies auch genau die Absicht der Autorin? Insofern ist der Titel ein wenig irreführend, spricht er doch eigentlich genau so gut das männliche Lesepublikum an. „Eine Frage der Chemie“ ist aber auch ein modernes Märchen, das seine Fans gefunden hat.

Ich wage mich vor und empfehle „Eine Frage der Chemie“ allen lesebegeisterten Frauen, vor allem aber Frauen, die im Wissenschaftsbereich unterwegs sind oder sich für diesen zumindest berufen fühlen. Das Buch bestärkt die, die es geschafft haben und macht denjenigen Mut, die es noch schaffen wollen. 5 Sterne von mir, und ich würde mehr geben, wenn dies ginge!

Die Dauerleserin