Humorvolle Regency Romance mit kleineren Schwächen

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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover passt wunderbar zum ersten Band, sodass man sofort erkennt, dass die Bücher zusammengehören müssen. Trotzdem unterscheidet es sich im Hinblick auf die Grundfarben (hier blau und dunkelrot) und natürlich der abgebildeten Personen wesentlich vom Auftakt der Reihe. Ich bin ja bekanntlich kein allzu großer Fan von Personen auf dem Cover, muss aber trotzdem sagen, dass die Gestaltung hier wieder einmal gelungen ist – auch wenn ich mir Eliza völlig anders vorgestellt habe, was insbesondere auch damit zusammenhängt, dass sie fast das gesamte Buch lang Trauerkleidung trägt und niemals in einem so hellen Kleid hätte herumlaufen können. Das ist aber natürlich nur eine Kleinigkeit, die eigentlich nicht weiter erwähnenswert ist. :D
Viel auffälliger ist folgender Unterschied: Während beim ersten Band noch die hintere Buchklappe bis über den Buchschnitt nach vorne gefaltet ist, hat „Eine Lady hat die Wahl“ einen „echten“ Farbschnitt und zwei normale Klappen. Man kann jetzt darüber streiten, was hübscher aussieht, so ist es aber jedenfalls praktischer beim Lesen.
Wie auch schon beim Auftakt ist die vordere Innenklappe mit Zitaten geschmückt, dieses Mal sind jedoch die beiden Herren abgedruckt, ein Porträt von Eliza sucht man vergeblich. Das finde ich aber nicht weiter schlimm. In der hinteren Klappe wird „Wie man sich einen Lord angelt“ mit seiner Protagonistin Kitty noch einmal vorgestellt.


Meine Meinung:
„Wie man sich einen Lord angelt“ war mein erster Schritt zu den Regency Romances, den ich noch nicht einmal geplant hatte – der Knaur-Verlag hat mir letztes Jahr nämlich einfach so ein Exemplar davon zugeschickt! Mit diesem Buch war es dann aber um mich geschehen, und kurz darauf habe ich „Bridgerton“ auf Netflix weggesuchtet und einige andere Regency Romances gelesen und gehört (mit Sophia natürlich, hehe). Im Nachhinein kann ich nun sagen, dass ich Sophia zustimmen muss: „Wie man sich einen Lord angelt“ ähnelt sehr stark dem Plot der zweiten „Bridgerton“-Staffel. Würde ich meine Rezensionen im Nachhinein verändern, würde ich diesen Punkt bemängeln und sicherlich durchaus einen Punkt abziehen, da es dem Buch so natürlich um einiges an Originalität fehlt.
Da ich aber ja immer das bewerte, was das Buch zu dem Zeitpunkt, zu dem ich es gelesen habe, in mir auslöst, fühlt es sich nicht fair an, dem Buch gut ein Jahr später nun eine schlechtere Bewertung zu geben.
Warum ich euch jetzt mit so viel Vorgeplänkel belästigt habe, wird euch sicher am Ende der Rezension noch klar werden, jetzt geht es aber nun endlich um meine Gedanken zu „Eine Lady hat die Wahl“.


Wie auch schon der Auftaktband konnte diese Fortsetzung vor allem mit dem Humor der Autorin überzeugen. Sie versteht sich wunderbar darauf, den Dialogen und Gedanken ihrer Figuren einen überspitzten, fast schon übertrieben aufgesetzten Unterton zu geben, ohne, dass es albern wirkt. Ich bin keine Expertin, aber ihr exzentrischer Stil fügt sich so natürlich in die Geschichte ein, dass man nicht daran zweifelt, dass die gehobene Gesellschaft Englands zu Beginn des 19. Jahrhunderts wirklich so geredet hat. Mit etwas Abstand erkennt man, dass das Ganze durchaus recht albern ist, aber dadurch, dass sich die Autorin durchweg nicht allzu ernst zu nehmen scheint, macht es sehr viel Spaß, der Skurrilität ihrer Geschichte zu folgen.


Unterstrichen wird dieser Punkt vor allem durch Lord Melville, der verglichen mit den anderen Gentlemen, auf die Eliza trifft, relativ modern ist, nicht nur in seinem Kleidungsstil, sondern auch in seinen Ansichten bezüglich dessen, was sich innerhalb der Gesellschaft gehört, und was man sich herausnehmen kann. Das spiegelt sich in der Weise wider, wie er beim Sprechen kein Blatt vor den Mund nimmt, nicht vor Sarkasmus scheut und vor allem gegenüber einer gewissen Person seinen Unmut fast schon unverschämt höflich zum Ausdruck bringt. Seine Zunge ist dabei stets so spitz, dass ich beim Lesen seiner unverblümten Kommentare oft laut aufgelacht habe.

„‚Gib gut acht, wo du hintrittst, Caro‘, sagte er. ‚Hier wimmelt es geradezu vor berühmten Namen.‘“ (S. 69/400)

Nichtsdestotrotz zeigt er sich in einigen Momenten auch verletzlich und ernsthaft. Man erkennt, dass er eben nicht nur jemand ist, für den alles ein Spaß ist, sondern, dass er seinen Witz und seine Wortgewandtheit als Waffe in einer Gesellschaft verwendet, die nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Das macht ihn nicht nur zur sympathischsten, sondern auch zur tiefgründigsten Person dieses Buches.

„Er hatte manchmal so eine Art, einen mit seinem ganzen Wesen wahrzunehmen, dann ruhten plötzlich all seine lebhaften Gesten, Sprüche und seine Belustigung, während er die Gesamtheit seines strahlenden Verstandes direkt auf sein Gegenüber zu richten schien. Es war ein Gefühl – jetzt wie schon beim ersten Mal –, als träte man in einen warmen Sonnenstrahl.“ (S. 257/400)


Ähnlich gut gefallen hat mir aber auch seine Schwester Caroline, die, wie er, nicht auf den Mund gefallen ist, und sich nichts daraus macht, was die Gesellschaft über sie spricht oder denkt. Sie lässt sich von den Gentlemen und den anderen Ladys nicht einschüchtern und sagt stets jedem, was sie von ihnen denkt, ohne jedoch dabei ihr Gesicht zu verlieren. Auch bei ihr erkennt man aber im Laufe der Handlung, dass hinter ihrer selbstbewussten Fassade noch viel mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat.

Die dritte Figur, die dafür gesorgt hat, dass ich mit „Eine Lady hat die Wahl“ viel Freude hatte, ist Elizas Cousine Margaret, die, ähnlich wie Caroline, nur noch nicht ganz so selbstbewusst, ihre scharfe Zunge nicht im Zaum hält und sich nicht von jedem alles gefallen lässt.
Diese drei Figuren haben wesentlich dafür gesorgt, dass ich mich über Eliza nicht so sehr aufgeregt habe, wie es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.

Die Protagonistin selbst ist nämlich das genaue Gegenteil der Drei, was aber von der Autorin vermutlich genauso gewollt ist. Nach zehn Jahren Ehe mit einem Mann, der kein warmes Wort für sie übrig hatte und sie stets nur „Dummes Mädchen“ genannt hat, sowie einer Familie, die nur Erwartungen an sie hat, ohne überhaupt zu versuchen, ihr zuzuhören, ist es aber auch nicht weiter verwunderlich, dass Eliza zunächst ein graues Mäuschen ist, das sich vor jeder Auseinandersetzung und schlechten Worten der Gesellschaft so sehr fürchtet, dass sie sich stets mit Vorsicht für alles entschuldigt.
Trotzdem, und das muss man ihr zugutehalten, lernt sie mit der Zeit immer mehr sich durchzusetzen und entwickelt sich zum Ende hin zu einer Person, die dazu in der Lage ist, sich mit einem Selbstbewusstsein, dass dem Carolines immer ähnlicher wird, dafür einzusetzen, was sie selbst für sich will. Diese Entwicklung beobachtet man über die ganze Geschichte hinweg, wenn sie auch anfangs lange auf sich warten lässt. Dennoch ist Eliza deshalb, auch wenn sich ihr Verhalten am Ende stark vom Anfang unterscheidet, immer noch die gleiche sanfte Person, nur eben etwas selbstbewusster. Das hat mir gut gefallen – dass ich Eliza selbst, vor allem im Vergleich mit den Melvilles und Margaret, durchweg als blasser und „schwächer“ empfunden habe, was auch ihre Entwicklung nicht ändern konnte, liegt also nicht an ihrer Charakterisierung durch die Autorin, sondern ist einfach subjektives Empfinden.


Eine Schwäche von „Eine Lady hat die Wahl“ ist dagegen eher der Plot, wobei das bei einer Regency Romance auch nicht weiter überraschend ist: Außer, dass Eliza trauert und sich hier und da bei gesellschaftlichen Anlässen blicken lässt, während derer sie entweder mit Lord Melville oder Lord Somerset spricht, passiert hier nicht viel, und das, was passiert, ist recht vorhersehbar. Das ist aber, wie gesagt, bei dem Genre ja nicht unüblich und habe ich auch gar nicht anders erwartet. Das Buch kann nämlich trotzdem – insbesondere wegen Melville – gut unterhalten, auch wenn an sich nicht viel passiert.

Etwas eher schade fand ich dagegen, dass „Eine Lady hat die Wahl“ nicht allzu viel mit „Wie man sich einen Lord angelt“ zu tun hat, auch wenn beides Teile einer Reihe sind. Bestimmt gibt es hier und da wenige unbedeutende Nebenfiguren, die in beiden Bänden mal kurz auftauchen oder erwähnt werden – so genau kann ich das gar nicht sagen, weil ich mich nicht mehr an so viele Figuren aus dem Auftakt erinnere –, aber dafür, dass beide Bücher eigentlich zum „Lady´s Guide“ gehören, erwartet man da irgendwie mehr. So sind es einfach nur zwei Regency Romances derselben Autorin, die miteinander aber anscheinend nichts zu tun haben.


Bevor ich diese Rezension nun abschließe, möchte ich zum Schluss aber noch einen kleinen Pluspunkt erwähnen: „Eine Lady hat die Wahl“ ist die erste Regency Romance, die ich gelesen habe, mit einem LGBTQ-Subplot. In dem „Bridgerton“-Prequel „Queen Charlotte“ gibt es zwar auch einen, ansonsten sucht man in diesem Genre aber wohl eher vergeblich danach – ich habe mich immer nach dem Warum gefragt, da es zu der Zeit ja auch queere Beziehungen gab?
Sophie Irwin ergreift hier also endlich die Gelegenheit und baut auf natürliche und selbstverständliche Art eine süße queere Liebesgeschichte in die Nebenhandlung ein, mit der man fast noch mehr mitfiebert als mit Elizas Romanzen.
Wie der Hauptplot, ist auch dieser Nebenaspekt ähnlich vorhersehbar, angesichts der vielen Anspielungen, die die Autorin im Laufe der Geschichte macht, bevor es ausdrücklich angesprochen wird, ist das aber, glaube ich, gerade gewollt, da man mit den beiden Figuren im Sinne eines „Will they, won´t they?“ so noch mehr mitfiebert.
Gut gefallen hat mir hierbei auch, dass sie die Probleme, die gleichgeschlechtliche Beziehungen in der gehobenen Gesellschaft zur Regency-Zeit mit sich bringen, anspricht – zwar nicht so ausführlich und in der Tiefe, wie es hätte sein können, aber doch genau mit der Aufmerksamkeit und Emotionalität, die sich insgesamt gut in „Eine Lady hat die Wahl“ einfügen.

Warum ich jetzt also in meiner Einleitung so viel über „Wie man sich einen Lord angelt“ gesprochen habe: Rückblickend, nachdem ich nun einige Regency Romances kenne, hat mir „Eine Lady hat die Wahl“ um einiges besser gefallen als der Auftakt – trotzdem gebe ich diesem Band am Ende einen halben Punkt weniger, da ich durchaus einige Kritikpunkte an dem Buch habe, die eine höhere Bewertung nicht rechtfertigen würden.


Fazit:
„Eine Lady hat die Wahl“ ist eine charmante, teils stark überspitzte Regency Romance, die vor allem mit drei Nebenfiguren überzeugen kann: Lord Melville, seine Schwester Caroline und Margaret, die Cousine der Protagonistin. Alle drei Figuren haben auf ihre eigene Art eine spitze Zunge und viel Selbstbewusstsein, was dafür sorgt, dass man beim Lesen eine sehr lustige Zeit hat.
Mit der Protagonistin bin ich persönlich nicht ganz so warmgeworden, was aber nicht etwa an fehlendem Charakter liegt (dem ist nicht so), sondern einfach subjektives Empfinden ist.
Schade, aber für das Genre nicht weiter überraschend, ist der fehlende Plot, auch wenn das Buch trotzdem gut unterhält. Einen Bezug zum Auftakt konnte ich auch nicht feststellen, dafür überrascht „Eine Lady hat die Wahl“ mit einem LGBTQ-Subplot, was das Buch zu einer Ausnahme in diesem Genre macht.
4/5 Lesehasen.