Toni + Edgar

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dicketilla Avatar

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Schon das Cover strahlt eine gewisse Sehnsucht aus, die hoffnungsvoll aber dennoch unerfüllt scheint.
Die Mutter war gestorben. Die Tochter hielt sie immer für unverwundbar, daher hatte ihr Tod sie auch überrascht. Im Schlaf während der Morgenstunden. Wie war es für sie, fragt sich die Tochter. Und so entwickelt sich eine Zwiesprache in Gedanken mit der Mutter.
Antonia Weber, die in den 60er Jahren ihren Weg ging, sich gegen die allmächtige Mutter versuchte zu emanzipieren.
Ein kurzer Moment in der Straßenbahn, damit fing es an, Toni und Edgar, eine Liebe, die nur von kurzer Dauer, aber für die Mutter lebenslang hielt.
In einer Zeit, in der die Vermieterin noch an der Tür klopfte, es sich nicht schickte Herrenbesuch zu empfangen. Man sich vorsichtig näherte, der erste Kuss, die erste Nacht bedacht gewählt wurde.
Die Tochter war mit der Geschichte um Toni und Edgar aufgewachsen.
Und so taucht sie in Gedanken in diese Zeit ein, der Leser sieht das zarte Pflänzchen Liebe erwachen, deren Erwartungen, aber am Ende auch dessen verwelken.
Edgar, der in seiner Firma unzufrieden ist, sich nach Hongkong versetzen läßt, beide von einer gemeinsamen Zukunft in der Fremde träumen. Toni, die selbst Anerkennung in ihrer Arbeit findet, Edgar ständig ermutigt seine Ungeduld durch Optimismus zu besiegen.
Doch dann gibt sie Alles auf, um ihm zu folgen, nach einem Jahr des Hinhaltens sich schmerzhaft löst.Sie will nicht mehr warten, hoffen, endlich weiterleben. Mit 60, nach zwei Scheidungen, wird sie ihren Namen der Kindheit annehmen, um die Person zu sein, die sie einmal war.
Im Nachlass findet die Tochter Dinge, die ihr viele Fragen an die Mutter stellen ließe, für die es jetzt zu spät war. Und so kommt sie ihrer Mutter, ihrer Liebe zu Edgar immer näher.
Selbst lebt sie in einer erfüllten Beziehung, die 18jährige Tochter Hanna, ist dabei das Nest zu verlassen. Eine Erfahrung, die ihr selbst schwer fällt.

Es ist eine außergewöhnliche Geschichte, die mich sehr berührt hat. Und eigentlich mochte ich Toni immer etwas mehr als Edgar. Sie war in meinen Augen die Reifere, die sich aber immer hinter Toni versteckte, ihre eigenen Gefühle zu seinen Gunsten unterdrückte. Es handelt aber auch von einer Zeit, in der die Werte- und Moralansprüche zwischen Mann und Frau sehr unterschiedlich waren.
Interessant auch die Ausstellungsgestaltung, die die Tochter für eine Künstlerin erhielt, die einst wie die Mutter, eine unglückliche Liebe in sich trug. Eine gekonnte Kombination, zweier unglücklicher Frauen.
Kristine Bilkau läßt uns einen Blick zwischen Mutter und Tochter werfen, der auch Fragen aufwirft. Wie war ihr Leben wirklich, wie nah konnte ich ihr kommen.
Besonders hervorzuheben ist auch die Sprache, mit der die Autorin weiß zu punkten. Sie hat einen erfrischenden Erzählstil, der nicht abgehoben, aber dennoch sehr einfühlsam zu erzählen weiß.
Und so schenkt sie uns auch am Ende ein zufriedenstellendes Ende ihrer Geschichte.
Unbedingt lesen!