Der Zauber im Unspektakulären

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merkurina Avatar

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Ich habe mich auf das Buch gefreut. Die Lebenssituation der Protagonistin hat mich sehr interessiert - es gibt Ähnlichkeiten zu meiner (und genauso viel Unterschiede, mindestens). Ich mag die Literatur von Österreicherinnen in der Regel gerne und wenn's in Wien spielt: erst Recht.
Ich habe also sehr frohgemut und erwartungsvoll zu Lesen begonnen und habe anfangs gedacht: Mhm, das ist nett zu lesen, aber vielleicht ein wenig arg unspektakulär. Eine Frau sucht eine Wohnung. Das ist nicht leicht. Der Text plätschert...
Als ich das Buch zuklappte, war ich bezaubert, völlig hin und weg. Was war da passiert? Irgendwie hat die Autorin in die schwierige Situation einen Zauber der Hoffnung hineingeschrieben. Irgendwie ist das ganze Buch immer noch ein Bericht über Unspektakuläres, ein ganz ruhiges Buch und mittendrin gibt es zarte kristallklare Erkenntnisse. Es ist ein ehrliches Buch, ein tapferes Buch, ein bescheidenes Buch. Und gerade die scheinbare Banalität macht es zum ganz großen Wurf. Die Kapitel sind kurz und wunderbar komponiert, zwischen Reflexionen und pragmatischer Frauennatur. Sie verweben Zweifel und Optimismus, Mitgefühl und ganz gesunden, wunderbaren, leisen Eigensinn. Stark.
Wien spielt keine so große Rolle im Buch, eigentlich nur die Gegend rund um den Brunnenmarkt. Aber es ist dennoch ein Buch wie die Stadt: leise und klug zugleich. Auch Seethalers "Das Café ohne Namen" atmet diese wohlgestalte Ruhe bei aller Ernsthaftigkeit und Halb-Melancholie. Beide Bücher sind in vielerlei Hinsicht natürlich auch verschieden. Beide mag ich sehr, das von Doris Knecht nötigt mir noch etwas mehr Hochachtung ab.