Endlich hat man seine Ruhe!

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wandablue Avatar

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Kurzmeinung: Jammern oder Jubeln, wenn die Kinder ausziehen?
Es ist so weit, die Kinder gehen aus dem Haus. Kurz vor und während des Auszugs der Kinder hält die Protagonistin, die ihre große Wohnung aufgeben will und mit ihren Siebensachen in etwas Kleiners zieht, Rückschau. Liebevoll und unaufgeregt erzählt Doris Knecht von einem neuen Lebensabschnitt, der immer auch Loslassen des vergangenen (Er)Lebens beeinhaltet.
Sie, äh, wer? - ringt innerlich damit, dass von ihr erwartet wird, traurig und verzweifelt zu sein, weil sie „quasi allein“ zurückbleibt und niemand dazu ermutigt, sich auf den neuen Lebensabschnitt zu freuen.

Der Kommentar:
Dieser Roman ist einer, mit dessen Figur man sich leicht identifizieren kann, mehr oder weniger erleben alle Eltern den Auszug ihrer Sprößlinge mit gemischten Gefühlen. Diese hohe Identifizierbarkeit spricht unbedingt für den Roman, der mit leisem Humor geschrieben ist.
Andererseits ist die gewählte Erzählperspektive nicht wirklich hilfreich. Wer spricht hier? Die Autorin oder die Protagonistin, die keinen Namen hat, so dass die Nähe zur Autorin mehr als spürbar ist? Die Verschmelzung von Autobiografischem und Erfundenem tut dem Roman nicht wirklich gut, denn er ist einerseits so hübsch bodenständig und plötzlich schlägt er aus ins Unwahrscheinliche, Unglaubwürdige zuweilen fast bis in Klamaukhaftes. Man merkt die Absicht der Autorin, Aufmerksamkeit zu gerieren, - und man ist verstimmt. Also ich. Auch andere Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten kommen gelegentlich vor, insgesamt fallen sie aber kaum ins Gewicht. Wenngleich ich oft denke, Luxusprobleme, Luxusprobleme ...! Spätens hier werde ich ägerlich(er) darüber, dass sich die Protagonistin nicht von der Autorin lösen lässt.

Fazit: Abgesehen von der gewählten Erzähl-Perspektive, die ich in diesem Falle als unglücklich empfinde, ist der Roman mit einem hohen Identifizierungspotential und seiner mit leiser Ironie vorgetragenen Strategie zur Lebensabschnittsbewältigung durchaus ein paar Lesestunden wert.

Kategorie: Gute Unterhaltung.
Verlag: Hanser, 2023