Neuanfang und Rückblicke

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keke Avatar

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„Die Kinder werden bald nicht mehr da sein, also nicht in der Wohnung. Sie sind bald fertig mit der Schule, sie sind erwachsen, sie werden ausziehen.“ (S.10)
Diese lakonische Feststellung der Ich-Erzählerin ist der Ausgangspunkt von Doris Knechts neuem Buch.
Der bevorstehende Auszug der Kinder verändert das gesamte Leben der Erzählerin. Sie muss sich damit auseinandersetzen, künftig alleine zu wohnen, muss ihr Leben also ganz neu ausrichten. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass sie ihr gewohntes Umfeld verlassen muss, denn ihre bisherige Wohnung kann sie sich ohne die Alimente, die der Vater der Kinder zahlt, nicht mehr leisten.
Genau wissend, dass ihre finanziellen Möglichkeiten nur die Anmietung einer wesentlich kleineren Wohnung zulassen, fängt sie an, nicht mehr benötigte Dinge auszusortieren. Und mit jedem Teil, dass sie aussortiert, kehren die Erinnerungen an zurückliegende Zeiten zurück. In vielen kleinen Episoden, die teils unzusammenhängend aneinandergereiht sind, beschreibt die Erzählerin ihr ganzes Leben. Die Kindheit, in der sie sich zwischen ihren Geschwistern immer irgendwie unsichtbar fühlte, den Auszug aus ihrem Elternhaus, erste Lieben, ihr Leben mit den Kindern, alles wird dem Leser nach und nach offenbart. Und über all dem steht immer wieder die bange Frage, wo wird sie wohnen und wird sie überhaupt eine Wohnung finden? Bis ihr eines Tages klar wird, dass es schon eine Lösung für dieses Problem gibt, die sie nur einfach nicht gesehen hat.
Durch die Episodenhafte Schreibweise macht es das Buch dem Leser nicht unbedingt einfach. Sehr oft wechseln Perspektive und Zeitebenen, die einzelnen Episoden wirken willkürlich aneinandergereiht.
Wer aber bereit ist, sich auf diesen Stil einzulassen, wird ein Buch lesen, in dem sich viele, die sich warum auch immer in ihrem Leben gerade neu orientieren müssen, wiedererkennen werden. Es sind genau diese Ängste und Sorgen, die Frau Knecht dort beschreibt, die bei Veränderungen und Neuanfängen zu Tage treten. Und ist es nicht genau so, dass man dann die Vergangenheit Revue passieren lässt und über sein bisheriges Leben nachdenkt?
Das Buch gibt sehr viele Denkanstöße und gerade hier bietet die gewählte Schreibweise einen Vorteil, denn man kann das Buch gut mal eine Weile zur Seite legen, nachdenken, und dann wieder anfangen zu lesen, ohne dass man gleich den Faden verloren hat. Und das Buch bietet vor allem auch eine Perspektive.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!