Rückschau und Aufbruch

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
johannaberger Avatar

Von


Zuerst war ich ein bisschen skeptisch: Sollte das mehr so ein autobiographischer innerer Monolog einer gestressten Mutter sein, leicht depressiv: „Ich wollte ohnehin nie Mädchen.“ Und war das vielleicht gar nicht mein Geschmack? „Ich bin die Älteste, äußerlich ähnle ich meinem Vater. Ich habe einmal gelesen, das sei von der Evolution so eingerichtet worden. Die ersten Nachkommen gleichen den Erzeugern, damit die das Weibchen nicht verstoßen…“
Aber spätestens auf Seite 24 war ich drin und konnte über die „Liste von Dingen, die ich verloren habe“ lachen. Und selbst wenn man ganz andere Erfahrungen als die Protagonistin des Romans (bestimmt sehr an die der Autorin angelehnt) gemacht hat, ist es interessant, den Ablösungsprozess von einem Leben hin zum anderen nachzuvollziehen. Wenn die Kinder groß sind, bedeutet Schnee nicht mehr, dass man mit den Kindern in den Skiurlaub fahren muss, ist man nur in den Momenten noch Kind, wenn die Eltern zu Besuch kommen und sofort versuchen, den Ofen zu reparieren, weil es das „Kind“ nicht schafft. Danach ist die eigene Wohnung, das Zimmer für sich allein (Virginia Woolf), Freiheit und nicht Einsamkeit. Die Erzählerin „probiert Geschichten an wie Kleider“ (Max Frisch) und verwirft manche: „Die Mutter, die ich beschreibe, die ich mir zurechtschnitze, existiert so nicht, sie kann so nicht existieren.“ Denn die Erinnerung sei ein Biest, so diese Mutter. Und die Erzählerin gibt zu, die Protagonistin sei „ein Konstrukt“.

Es geht um das Erwachsenwerden der Kinder, die Auflösung des alten Lebens, den Start in ein neues, selbstbestimmtes Dasein, Gedanken, die man gern mitverfolgt. Nicht viel Handlung, viele kleine Details und Beobachtungen, erzählt mit Selbstironie. Die hauptsatzlastige Sprache ist etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber.