Eine Aussöhnung mit der Lebensweise der Eltern

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elkestricker Avatar

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Die Erinnerungen an die Eltern, die Rochus Hahn nach deren Tod in Buchform verfasst hat, geht zu Herzen. Nach außen eine Vorzeigefamilie der oberen Mittelschicht: der Vater ein promovierter Chemiker, die Mutter fleißige fromme Ehefrau, die nach der Heirat ihren Beruf aufgibt, um für Haushalt, Ehemann und Kinder da zu sein.
Jedoch hinter der Wohnungstür gibt es emotionale Kälte, Alkoholismus, Gewalt und eine ganze Menge Tabus.
Da ich im gleichen Jahr geboren bin wie der Autor, finde ich sehr viele Parallelen.
Wir Babyboomer waren meistens keine Wunschkinder, wir waren einfach da und man musste aus uns hoffentlich erfolgreiche, strebsame, nützliche Mitglieder der Gesellschaft machen. Die Ehen, die unsere Eltern der Kriegskindergeneration eingingen, wurden oft aus finanziellen Überlegungen geschlossen und ganz selten geschieden. Kriegstraumata wurden verdrängt, Emotionen selten gezeigt und nach außen musste alles harmonisch wirken.
Da unsere Eltern die Aufbauarbeit nach dem Krieg leisten mussten und die Erfahrung gemacht hatten, dass der Wohlstand nur durch schulische und berufliche Erfolge Zustande kommt, war es gerade in Akademikerfamilien überaus wichtig, das die Kinder ebenfalls eine höhere Bildung erreichen. Sehr oft wurde deswegen ein immenser Druck aufgebaut und der Wille zum Fleiß zum Teil auch eingeprügelt.
Erziehungsratgeber gab es kaum und es herrschte die Meinung vor, dass wer fleißig genug ist, alles erreichen kann.
Am Beispiel von Rochus Hahn zeigt sich, dass es ein ganzes Leben braucht, um mit diesen Verletzungen der Kindheit abzuschließen und trotzdem Verständnis für die Eltern aufzubringen.
Er erinnert sich sehr detailliert an so viele Begebenheiten und zeichnet dadurch ein sehr genaues Bild der Familie. Interessant ist, dass sie schon in den frühen Sechzigerjahren aus beruflichen Gründen eine Zeit in den USA verbrachten und auch später eine ausgedehnte Urlaubsreise dort verlebten. Was heute schon fast jeder Schüler erlebt, war damals schon sehr außergewöhnlich.
Ich habe dieses Buch trotz einiger Längen gerne gelesen und empfehle es durchaus auch jüngeren Lesern, um einen sehr persönlichen Einblick ins Familienleben der damaligen Zeit zu erhalten.