Nichts für ungut, Jungs

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owenmeany Avatar

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Durch die Inhaltsangabe auf dem Umschlag war ich gefasst auf Abgründiges, Misshandlung und Gewalt, doch die ersten hundert Seiten erstaunten mich nur ob ihrer gähnenden Banalität. Den Vater hat es während seiner Kindheit und Jugend viel Mühe gekostet, seinen Status im Leben zu erarbeiten. Von seinem Hamsterrad aus gelingt es ihm nicht, ausreichend Empathie für die drei Söhne zu entwickeln, denen aus seiner Sicht alles in den Schoß fallen würde, wenn sie sich ihren Chancen nicht aus einer unverständlichen Trägheit heraus verschlössen. Ab und an eskaliert sein Frust dann in häuslicher Gewalt, die aufgrund ihrer Unberechenbarkeit umso mehr Angst und Schrecken verbreitet.

Aber an was sich Hahn auch alles erinnert! Meiner Ansicht nach sind die meisten Dinge typisch für die Nachkriegsgeneration, die von den 68er Rebellen als Spießer beschimpft wurde. Vielleicht liegt der Wert des Buchs aber auch gerade im Exemplarischen für die damalige Ödnis.

Bei all der Kritik am Vater nehme ich beim Sohn ungeniertes Anspruchsdenken wahr: wenn dieser ihm auch das versprochene Auto zum gerade so bestandenen Abi verwehrt, zahlt er ihm aber wenigstens den Führerschein und unterstützt ihn während seines Studium in München sehr großzügig.

Direkt tragisch erscheint mir das Buhlen um Anerkennung, die der Vater nicht in der Lage ist ihm entgegenzubringen. Mit dem Kapitel über seine Tätigkeit bei RTL dokumentiert der Autor dann seine späteren Erfolge im Leben, doch sie handeln ausführlich von Sendungen, die mich überhaupt nicht interessieren.

Niemals soll man den Tag vor dem Abend tadeln, und so beginnt der Umschwung meiner Akzeptanz mit der Versöhnungsbereitschaft Hahns. Daraus kann ich direkt eine Botschaft entnehmen - mit zunehmender Reife öffnen wir uns bisherigen Kontrahenten, die uns als Konsequenz daraus auch Schritt für Schritt entgegenkommen.

Die Erinnerungen an die Mutter mit ihrer bigotten Religiosität stellt einen eigenen Abschnitt dar, meines Erachtens zu wenig verflochten mit dem Rest.

Das Ganze liest sich flüssig und flott, da spürt man den Routinier, und manche ironischen Wendungen kommen dem Lesespaß zugute.

Ich denke, Hahn hat mit der Niederschrift dieser Erinnerungen therapeutische Zwecke verfolgt, wie man es schon den vorangestellten Dankesworten entnehmen kann. Das muss aber noch lange kein Grund sein für den Verlag, das zu drucken und zu publizieren, und erst recht nicht für mich, es zu lesen. Es gibt zu viele dieser Ergüsse.