Der Abtrieb der Liebe in all ihren Formen
Claire Deyas Roman „Eine Welt nur für uns“ spielt im Jahr 1945 in der südfranzösischen Küstenstadt Hyères und zeichnet ein eindrucksvolles Bild der ersten Monate nach dem Zweiten Weltkrieg.
Saskia, eine KZ-Überlebende, kehrt in ihre Heimat zurück, doch ihr früheres Zuhause ist nun von Fremden bewohnt. Auf ihrer Suche nach Spuren ihrer Familie und der Person, die sie verraten hat, begegnet sie Vincent, der ihr großzügig anbietet, bei ihm Zuflucht zu finden.
Vincent, der gerade erst aus deutscher Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, ist nach Frankreich zurückgekehrt, um Ariane, die Frau, die er liebt, wiederzufinden, doch sie ist spurlos verschwunden. Auf der Suche nach Hinweisen schließt er sich einer Einheit von Minenräumern an, die die gefährlich verminten Strände säubern.
In dieser Gruppe arbeiten auch internierte ehemalige deutsche Soldaten, darunter der undurchsichtige Lukas, der offenbar mehr über Arianes Schicksal weiß, als er preisgibt.
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Als ich „Eine Welt nur für uns“ zum ersten Mal in der Hand hielt, dachte ich: Sommerroman. Das Cover, die Farben, der Titel. Alles schrie nach Côte d’Azur, Leichtigkeit, ein bisschen Liebe. Aber was ich bekam, war so viel mehr. Kein leichter Roman für den Liegestuhl, sondern ein tiefgehender, intensiver, historisch berührender Roman über das Leben nach dem Krieg. Eine Perspektive, die mir in der Literatur oft zu kurz kommt.
Die Strände, die ich mir zuerst als romantische Kulisse vorgestellt hatte, sind in Wahrheit tödlich. Denn ab 1944 wurden dort bereits Minen geräumt, eine unfassbar gefährliche Aufgabe. Und mittendrin: Vincent. Arzt, ehemaliger Kriegsgefangener der Nazis, Suchender. Er hat einen einzigen Antrieb: Ariane, seine verschwundene Geliebte. Um sie zu finden, schließt er sich dieser Minenmannschaft an. Nicht, weil er dafür ausgebildet ist, sondern weil er weiß, dass dort auch deutsche Gefangene arbeiten, die möglicherweise wissen, was mit ihr geschehen ist. Denn sie waren einst auf dem Hof und im Schloss stationiert, wo Ariane gelebt hat. Und dieser Weg voller Risiken, das Aufopfern seiner eigenen Sicherheit, um sie zu finden, das war für mich das stärkste Symbol: Die Liebe als roter Faden durch einen entmenschlichten, zerstörten Nachkriegsalltag. Im Vordergrund der Geschichte werden Minen geräumt, aber die Beweggründe für die Arbeiter werden dabei nie außer Acht gelassen.
Die Figur der Jüdin Saskia hat mich besonders bewegt. Sie hat die Konzentrationslager überlebt und kehrt heim in ein Leben, das nicht mehr ihr eigenes ist. Ihr Zuhause ist besetzt, ihre Familie wurde verraten und getötet. Sie ist die einzige Überlebende. Ich habe schon viele Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden gelesen, Sachbücher, Berichte, Interviews. Aber noch nie ist mir in einem Roman eine Figur so nahe gekommen wie Saskia. Ihre Gedanken, ihre Alltagshürden, ihre emotionale Zerrissenheit konnte ich richtig gespürt. Saskia steht für eine ganze Generation, die nichts mehr hatte außer Erinnerungen, und sich trotzdem wieder aufrichten musste.
Besonders berührt hat mich, als ich im Nachwort gelesen habe, dass die Figur des Vincent auf dem Großvater der Autorin basiert. Seine Briefe aus der Kriegsgefangenschaft dienten als Grundlage. Und Saskia ist keine fiktive Figur, sondern beruht auf einer echten Begegnung der Autorin mit einer Überlebenden, die ihr ihre Geschichte anvertraut hat. Diese Tiefe, diese Echtheit, sie zieht sich durch jede Seite dieses Romans.
Fabien ist für mich mehr als nur eine Nebenfigur. Seine Geschichte ist eine über Vertrauen und über das Verlernen von Misstrauen. Nach allem, was er erlebt hat, will er niemandem mehr glauben, niemandem mehr sein Herz öffnen. Und doch entsteht da eine Freundschaft. Zart, vorsichtig, ehrlich. Die Themen Vergebung, Vertrauen, Freundschaft, sie sind hier nicht romantisiert, sondern vielschichtig und tief.
Und ja, es geht auch um Versöhnung. Zwischen Nationen, zwischen Menschen, zwischen Täter und Opfer, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Der Moment, wenn sich ehemalige Feinde, französische und deutsche Soldaten, beim Minenräumen begegnen und langsam zu einem Team werden, hat mich besonders nachdenklich gemacht. Es zeigt: Menschlichkeit ist nicht an Nationalitäten gebunden. Und vielleicht ist gerade das der Schlüssel zur Zukunft.
Was mich außerdem begeistert hat, war die Sprache. Claire Deya schreibt mit einer unaufgeregten, aber bildstarken Stimme. Ihr Ton ist ruhig, fast poetisch, aber nie kitschig. Die Atmosphäre ist oft bedrückend, aber gegen Ende blitzt Hoffnung auf, ganz leise, ganz sanft. Es ist wie der Sommer, der langsam zurückkehrt, auch nach einem Winter, der alles zerstört hat. Und genau das nehme ich mit: Der Sommer kehrt zurück. Selbst nach den schlimmsten aller Zeiten.
Saskia, eine KZ-Überlebende, kehrt in ihre Heimat zurück, doch ihr früheres Zuhause ist nun von Fremden bewohnt. Auf ihrer Suche nach Spuren ihrer Familie und der Person, die sie verraten hat, begegnet sie Vincent, der ihr großzügig anbietet, bei ihm Zuflucht zu finden.
Vincent, der gerade erst aus deutscher Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, ist nach Frankreich zurückgekehrt, um Ariane, die Frau, die er liebt, wiederzufinden, doch sie ist spurlos verschwunden. Auf der Suche nach Hinweisen schließt er sich einer Einheit von Minenräumern an, die die gefährlich verminten Strände säubern.
In dieser Gruppe arbeiten auch internierte ehemalige deutsche Soldaten, darunter der undurchsichtige Lukas, der offenbar mehr über Arianes Schicksal weiß, als er preisgibt.
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Als ich „Eine Welt nur für uns“ zum ersten Mal in der Hand hielt, dachte ich: Sommerroman. Das Cover, die Farben, der Titel. Alles schrie nach Côte d’Azur, Leichtigkeit, ein bisschen Liebe. Aber was ich bekam, war so viel mehr. Kein leichter Roman für den Liegestuhl, sondern ein tiefgehender, intensiver, historisch berührender Roman über das Leben nach dem Krieg. Eine Perspektive, die mir in der Literatur oft zu kurz kommt.
Die Strände, die ich mir zuerst als romantische Kulisse vorgestellt hatte, sind in Wahrheit tödlich. Denn ab 1944 wurden dort bereits Minen geräumt, eine unfassbar gefährliche Aufgabe. Und mittendrin: Vincent. Arzt, ehemaliger Kriegsgefangener der Nazis, Suchender. Er hat einen einzigen Antrieb: Ariane, seine verschwundene Geliebte. Um sie zu finden, schließt er sich dieser Minenmannschaft an. Nicht, weil er dafür ausgebildet ist, sondern weil er weiß, dass dort auch deutsche Gefangene arbeiten, die möglicherweise wissen, was mit ihr geschehen ist. Denn sie waren einst auf dem Hof und im Schloss stationiert, wo Ariane gelebt hat. Und dieser Weg voller Risiken, das Aufopfern seiner eigenen Sicherheit, um sie zu finden, das war für mich das stärkste Symbol: Die Liebe als roter Faden durch einen entmenschlichten, zerstörten Nachkriegsalltag. Im Vordergrund der Geschichte werden Minen geräumt, aber die Beweggründe für die Arbeiter werden dabei nie außer Acht gelassen.
Die Figur der Jüdin Saskia hat mich besonders bewegt. Sie hat die Konzentrationslager überlebt und kehrt heim in ein Leben, das nicht mehr ihr eigenes ist. Ihr Zuhause ist besetzt, ihre Familie wurde verraten und getötet. Sie ist die einzige Überlebende. Ich habe schon viele Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden gelesen, Sachbücher, Berichte, Interviews. Aber noch nie ist mir in einem Roman eine Figur so nahe gekommen wie Saskia. Ihre Gedanken, ihre Alltagshürden, ihre emotionale Zerrissenheit konnte ich richtig gespürt. Saskia steht für eine ganze Generation, die nichts mehr hatte außer Erinnerungen, und sich trotzdem wieder aufrichten musste.
Besonders berührt hat mich, als ich im Nachwort gelesen habe, dass die Figur des Vincent auf dem Großvater der Autorin basiert. Seine Briefe aus der Kriegsgefangenschaft dienten als Grundlage. Und Saskia ist keine fiktive Figur, sondern beruht auf einer echten Begegnung der Autorin mit einer Überlebenden, die ihr ihre Geschichte anvertraut hat. Diese Tiefe, diese Echtheit, sie zieht sich durch jede Seite dieses Romans.
Fabien ist für mich mehr als nur eine Nebenfigur. Seine Geschichte ist eine über Vertrauen und über das Verlernen von Misstrauen. Nach allem, was er erlebt hat, will er niemandem mehr glauben, niemandem mehr sein Herz öffnen. Und doch entsteht da eine Freundschaft. Zart, vorsichtig, ehrlich. Die Themen Vergebung, Vertrauen, Freundschaft, sie sind hier nicht romantisiert, sondern vielschichtig und tief.
Und ja, es geht auch um Versöhnung. Zwischen Nationen, zwischen Menschen, zwischen Täter und Opfer, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Der Moment, wenn sich ehemalige Feinde, französische und deutsche Soldaten, beim Minenräumen begegnen und langsam zu einem Team werden, hat mich besonders nachdenklich gemacht. Es zeigt: Menschlichkeit ist nicht an Nationalitäten gebunden. Und vielleicht ist gerade das der Schlüssel zur Zukunft.
Was mich außerdem begeistert hat, war die Sprache. Claire Deya schreibt mit einer unaufgeregten, aber bildstarken Stimme. Ihr Ton ist ruhig, fast poetisch, aber nie kitschig. Die Atmosphäre ist oft bedrückend, aber gegen Ende blitzt Hoffnung auf, ganz leise, ganz sanft. Es ist wie der Sommer, der langsam zurückkehrt, auch nach einem Winter, der alles zerstört hat. Und genau das nehme ich mit: Der Sommer kehrt zurück. Selbst nach den schlimmsten aller Zeiten.