Eins wollt ich dir noch sagen

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Louisa Young:

_Eins wollt ich dir noch sagen_

**Aufmachung:**

Das Cover ist in Grautönen gehalten, man sieht eine junge, hübsche Frau im Profil.  

Durch die Kopfbedeckung, das mäßige Make-up und die Farbgebung erscheint es bereits auf den ersten Blick als sehr passend für ein Buch, das in der Zeit des 1. Weltkrieges spielt.

Wenn man das Buch fertig gelesen hat, erkennt man erst, auf welche vielschichtige Weise diese Profilaufnahme passt.

**Die Geschichte:**

London, 1907: Nadine und Riley lernen sich am Round Pond kennen. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Riley bricht in den zugefrorenen See ein. Nadine, die aus einer betuchten Künstlerfamilie stammt, nimmt ihn mit nach Hause, damit er sich dort aufwärmen kann.

Riley erkennt seine Chance, er wird in der Familie aufgenommen und kommt so in den Genuss einer Schulbildung und entwickelt romantische Gefühle Nadine gegenüber.

Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges meldet sich Riley freiwillig, um vor einem begangenen Fehler davonzulaufen. Im Verlauf des Krieges erkennt er, dass er so auch die Chance hat, seiner ärmlichen Herkunft zu entfliehen und im Rang soweit aufzusteigen, dass Nadines Eltern nichts mehr gegen eine Verbindung der beiden haben können.

**SPOILERWARNUNG!**

Nadine und Riley treffen sich, als er Heimaturlaub hat und gestehen sich endlich ihre Liebe ein. Wieder zurück an der Front, schreiben sie sich innige Liebesbriefe.

Doch Riley wird schwer im Gesicht verwundet, er landet im Krankenhaus Sidecup, wo die ersten plastischen chirurgischen Eingriffe vorgenommen worden. Er verzweifelt an seiner Situation, verliert jeglichen Lebenswillen und beschließt, seine Beziehung zu Nadine zu beenden, um sie vor seinem Anblick zu schützen.

Er schreibt ihr, dass er eine neue Frau kennengelernt hat und sie nicht mehr sehen will. Nadine meldet sich daraufhin freiwillig für den Einsatz in Frankreich.

In dem Krankenhaus arbeitet auch Rose, die Schwester von Peter Locke, unter dem Riley im Krieg gedient hat. Sie hält den Kontakt zu Nadine, verrät ihr aber nichts über seinen wirklichen Zustand und den wahren Grund der Trennung.

Auch Peters Frau Julia leistet in ihren Augen „Kriegsdienst“, sie verrennt sich in der Vorstellung, dass alles, sobald Peter nach Hause kommt, genauso aussehen muss, wie zu dem Zeitpunkt, als er in den Krieg eintrat. Erst pflegt sie Haus und Garten im Übermaß, dann bezieht sie auch ihr Aussehen mit ein. In der Zeit der aufkommenden Schönheitsbehandlungen lässt sie einiges über sich ergehen, um nur ja nicht zu altern und um sich von ihrer Sorge abzulenken.

Peter kommt mit dem Grauen, dass er miterlebt hat, nicht zu Rande und verfällt dem Alkohol...

**Wie es mir dabei ging:**
 

Nach der Leseprobe habe ich mit einer mäßigen Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges gerechnet.

Mit dem, was dann kam, habe ich nicht gerechnet.

Ich bin mit Riley im Kopf schlafen gegangen und wach geworden, auch jetzt, Tage nachdem ich das Buch fertig gelesen habe, geistert er mir immer wieder durch den Kopf.

Mein Wissen über den ersten Weltkrieg beschränkte sich auf 1914 – 1918 und warums losging, alles andere hat mich auch nicht interessiert.

Dieses Buch hat mir die Realität eines Krieges ins Haus geholt, auf so erschreckende und berührende Weise, direkt genug, um nicht verklärend zu sein und immer gerade soviel, wie noch zu ertragen ist.

Die Liebesgeschichte tritt recht bald in den Hintergrund und macht Platz für das Leben. Wie es kommt, dass man sich im Krieg behaupten will, womit man sich ablenkt, wie man aufhört zu existieren.

Mir war nicht klar, dass sich die schlimmsten Verwüstungen eines Krieges nicht mit dem Wiederaufbau der Häuser beseitigen lassen und die Narben am Körper gleich dauerhaft sind, wie die im Kopf.

**Fazit:**

Ein unglaublich berührendes Buch, mit sehr realistischen Charaktere. Man ahnt, wie gut die Geschichte recherchiert ist und gerade das Element, dass mich am meisten berührt hat, ein einfacher Zettel, tatsächlich aus dem Leben gegriffen ist.

Sicher kein einfacher Stoff, aber unbedingt wert, gelesen zu werden!