Verworrene Geheimnisse

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marcello Avatar

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Kate Alice Marshall ist auf dem deutschen Buchmarkt eine noch relativ unbekannte Autorin. Ich bin auch eher zufällig auf ihren Thriller „Eisnebel“ gestoßen, aber das Cover hat so perfekt in die Zeit gepasst, ohne ein Weihnachtsbuch zu sein. Als ich dann den Klappentext gelesen habe, dass eine Frau die Familie ihres Partners auf einem abgelegenen Gelände kennenlernen soll, da dachte ich daran, dass es ein Trend auf dem Thriller-Buchmarkt zu sein scheint, weil ich in die Richtung schon ein bisschen was gelesen habe. Dennoch habe ich „Eisnebel“ eine Chance gegeben, ob es sich von der inhaltlichen Konkurrenz absetzen kann.

Ich habe „Eisnebel“ als Hörbuch gehabt. Und auch wenn ich Heike Warmuth als Stimme keinesfalls kritisieren möchte, so war ich doch aufgrund ihrer reifen Stimmfarbe etwas irritiert, als aufgeklärt wurde, wie alt Protagonistin Theo sein soll. Wie eine Frau in ihren 30ern klang sie einfach nicht, ich hätte sie intuitiv deutlich älter geschätzt. Natürlich habe ich mich an die Stimme immer mehr gewöhnt, aber ich hätte sie wohl bis zum Ende nicht so jung als Figur eingeschätzt. Hier wäre eine andere Stimme vielleicht clevrer gewesen, aber Warmuth hat das atmosphärisch toll gelesen.

Inhaltlich muss ich sagen, dass der Einstieg sicherlich der schwächste Teil des Thriller ist, denn es gibt keine herausstechenden sympathischen Charaktere, nicht einmal Theo selbst. Aber alle anderen sollten abweisend sein, das war die Prämisse. Dazu war die Familie auch nicht klein und da muss ich immer wieder feststellen, dass es beim Hörbuch schwieriger ist, das alles zu sortieren. Aber auch beim Lesen wäre es nicht einfach gewesen. Zudem ist es auch die Beziehung von Theo und Connor, die sofort aufhorchen lässt, denn da kam einfach nichts rüber. Auch wenn ich bei Theo zu keinem Zeitpunkt den Eindruck hatte, ihr ginge es bei Connor ums Geld, so war dann doch die Frage, was ist es dann, was sie anzieht? Ich fand die geschilderte Beziehung sehr komisch. Beim Thriller muss natürlich früh eine Atmosphäre da sein, um weiterlesen zu wollen, aber Lesen lebt auch von einem emotionalen Anker und der hat mir gefehlt.

Beim Thriller muss noch ein zweiter Aspekt stimmen und das ist die Spannung. Die funktioniert im Grunde durchgängig und sie hat mir auch geholfen, über den Einstieg hinweg zu kommen. Theos Aufenthalt fängt schon seltsam an, weil sie Drohungen erhalten hat, gar nicht erst aufzutauchen. Relativ früh entdeckt sie dann auch einen Hinweis, der sie selbst und ihre Vergangenheit betrifft und von dort aus entwickelt sich ein wirklich cleveres Geflecht aus Wendungen, Action und Entsetzen, was nicht alles enthüllt wird. Es war irgendwann genug Zug drin, um es in einem Zug zu Ende hören zu wollen. Auch wenn am Ende die Schwächen des Anfangs nicht wirklich aufgehoben worden sind, so kann ich das aufgrund des Genres ganz gut verschmerzen. Der perfekte Thriller hätte mir menschlich noch mehr gegeben, aber hier war wenig vorauszusehen und dementsprechend bleibt das als Plus, denn andere Autoren beweisen oft genug ist, wie schwer es ist, den Plot nicht zu durchsichtig aufzubauen.

Fazit: „Eisnebel“ ist zwar auf menschlicher Ebene nicht richtig greifbar, weil mir die emotionalen Anker gefehlt haben, dafür hat die Spannung irgendwann exponentiell zugenommen. Es ist ein guter Thriller und da Marshall auch noch relativ unerfahren ist, macht das neugierig auf mehr.