Gelungener Einstieg in eine neue Reihe, spannende Unterhaltung!

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Inhalt
Der erste Band der Reihe „Elbnächte“ schildert das Leben dreier sehr unterschiedlicher Protagonisten, die zufällig aufeinandertreffen, deren Lebenswege dann aber durch einen Kriminalfall miteinander verwoben sind.
Louise Dumont ist eine junge Frau aus gutbürgerlichem Hause, die gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hat und von ihrem Mann zwei Jahre später in einer prekären Lage zurückgelassen wird. Angeblich ist ihr Mann Viktor ums Leben gekommen, aber es gibt Grund, dies anzuzweifeln. In einer billigen Pension begegnet die fast mittellose Louise der jungen Galizierin Ella Tomaczowa. Diese hat sieben Jahre als Zwangsprostituierte in Lemberg hinter sich, als ihr endlich die Flucht gelingt. Zusammen mit ihrer Mopsdame Principessa will Ella sich in Hamburg ein neues, „anständiges“ Leben aufbauen. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich schnell an und versuchen, gemeinsam eine bescheidene Existenz aufzubauen. Als Louise in Viktors Nachlass einen Schuldschein findet, demzufolge er die Hälfte einer Hinterhofkneipe besitzt, sucht sie als rechtmäßige Erbin deren zwielichtigen Betreiber auf und gerät in eine bedrohliche Situation. Als Retter in der Not taucht der ehemalige Polizist Paul Klinker auf, der aufgrund eigener Privatermittlungen die heruntergekommene Bar aufsucht. Paul ist auf der Jagd nach dem Chef einer Jugendbande, die dafür verantwortlich ist, dass er bei einem Mordanschlag seinen linken Arm verloren hat – er wird vom Wunsch nach Rache getrieben.

Beurteilung
Zunächst werden die Lebensgeschichten der drei Protagonisten getrennt voneinander vorgestellt, wobei jede dieser Geschichten von Beginn an spannend ist. Die verwöhnte und naive Louise findet sich völlig hilflos, fast ohne Geld, in einer ihr fremden Großstadt wieder und kann von ihrer entfremdeten Familie in Potsdam keine Hilfe erwarten. Ella wiederum stammt aus einfachsten Verhältnissen, ist aber deutlich lebenstüchtiger als Louise. Nachdem sie ihre äußerst spannend geschilderte Flucht aus dem Bordell hinter sich hat, wird sie in Hamburg in ihrer unverwüstlich optimistischen Art zur Stütze von Louise, die sich bei zunehmender Bekanntschaft mit den Realitäten des Lebens allmählich zu einer cleveren und selbstbewussten Frau entwickelt, die sich aus dem Korsett ihrer einengenden gutbürgerlichen Erziehung und der materiellen Abhängigkeit von Anderen befreit.
Auch der ehemalige Polizist Paul ist eine interessante Figur, er ist nicht nur wegen des Verlusts seines Arms, sondern auch wegen des Verschwindens seines Bruders Michael vor 13 Jahren traumatisiert, sein Lebensmut wird eigentlich nur durch den Wunsch nach Rache befeuert.
Die Autorin vermittelt ein eindrückliches Bild des Lebens in Hamburg kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als die Gesellschaft noch sehr den Traditionen des 19. Jahrhunderts verhaftet ist. Besonders ansprechend ist das Wiedersehen mit einigen Romanfiguren aus der Reihe „Die Hafenärztin“ von Henrike Engel, das dem Leser ein Gefühl des Nachhausekommens beschert.
Der Erzählstil ist durchgehend sehr anschaulich und spannend, gelegentlich ein wenig zu poetisch.

Fazit
Ein spannend unterhaltender Einstieg in eine neue Reihe über das Leben in St.Pauli kurz vor dem Ersten Weltkrieg – sehr empfehlenswerte Lektüre!
4,5 Sterne