St. Pauli um 1913 – atmosphärisch, aber vorhersehbar

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janus Avatar

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Ich bin eher zufällig auf „Elbnächte“ gestoßen – historische Romane interessieren mich, besonders wenn sie in deutschen Städten spielen. Die Idee, das Hamburg des frühen 20. Jahrhunderts kennenzulernen, fand ich reizvoll.

Die Geschichte beginnt mit Louise, einer Frau aus gutem Hause, die durch das Verschwinden ihres Mannes plötzlich allein und mittellos dasteht. Sie schlägt sich in einer heruntergekommenen Pension durch und trifft auf Ella, die aus der Zwangsprostitution geflohen ist. Gemeinsam versuchen sie, ein neues Leben zu beginnen – unter anderem mit dem Aufbau einer Bar. Parallel wird ein brutaler Mordfall erzählt, der später mit den Figuren verknüpft wird.

Die Figuren sind solide gezeichnet. Ella wirkte auf mich am glaubwürdigsten und am stärksten – ihre Lebensgeschichte ist hart, aber nicht überdramatisiert. Louise blieb für meinen Geschmack etwas blass, obwohl ihre Entwicklung nachvollziehbar ist. Die Figur des Polizisten Paul bringt die Krimihandlung ins Spiel, sie wirkt allerdings manchmal etwas klischeehaft.

Sprachlich ist der Roman gut lesbar, der Stil ist eher schlicht, aber stimmig. Besonders gelungen fand ich die Atmosphäre – die Beschreibungen von St. Pauli, der Hafengegend und dem sozialen Gefüge zu der Zeit sind anschaulich und nicht überladen.

Was mir weniger gefallen hat: Der Handlungsverlauf wirkt an manchen Stellen etwas konstruiert. Gerade Louises Weg in die Selbstständigkeit ging mir zu glatt. Auch die Krimihandlung hat nicht ganz das Niveau erreicht, das ich mir erhofft hatte – sie bleibt eher im Hintergrund und ist nicht besonders überraschend.

Fazit: „Elbnächte“ ist ein ruhiger, historisch angehauchter Roman mit kriminalistischen Elementen. Wer gern Geschichten über Frauen im Umbruch liest und ein stimmungsvolles Hamburg-Setting mag, wird hier fündig. Für mich war es ein solides Buch, aber ohne echte Highlights.