Ein wunderbar rätselhaft erhellender Roman

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jograf Avatar

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Eine alleinerziehende Lehrerin kämpft in „11 ist eine gerade Zahl“ mit der erschütternden Situation, dass ihre vierzehnjährige Tochter schwerkrank ist. In der scheinbaren Hilflosigkeit und Schockstarre erzählt sie ihrem Kind ein Märchen, aufgeteilt in Episoden, in der Tradition von „1001 (!) Nacht“ mit Cliffhangern. Ein Märchen, das die Konfrontation eines vierzehnjährigen Mädchens und eines Fuchses mit dunklen Mächten schildert, um mit Hilfe der Kraft des Erzählens ihrer bisher immer toughen Tochter die Schwere zu nehmen, sie abzulenken, sie zu ermutigen, sie zu stärken ... Ist es ein Fehler angesichts des „dunklen“ Inhalts des Märchens und der „dunklen“ Situation der Tochter oder ein sinnvolles Verhalten, wie es der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim in „Kinder brauchen Märchen“, besonders wenn diese „dunkel“ sind, rät?
Martin Beyer gibt darauf in seinem Roman „11 ist eine gerade Zahl“ mit Hilfe des rätselhaften Titels eine erhellende Antwort und er vermag dies in einer präzisen und phantastisch bildhaften Sprache, die selbst dem Unscheinbaren die Aura des Besonderen gibt, selbst kleinen Szenen Größe verleiht und beim Lesen Freude bereitet ob der Ungewöhnlichkeit und Treffsicherheit der sprachlichen Bilder. So werden von einem Meister der Metapher zwei Erzählstränge spannungsreich in sich verwoben und die Perspektive der Mutter (Realebene) und die der Tochter (Märchen) gekonnt und überraschend in Beziehung gesetzt. Damit gelingt es ihm, der Sprachlosigkeit und dem Unsagbaren des Ausnahmezustands Ausdruck zu verleihen und die Lesenden daran mit Herz und Kopf teilhaben zu lassen.
Auf wunderbare Weise machen die Empathiefähigkeit des Autors, sein Gespür für leise Zwischenlauttöne und zwischenmenschliche Schwingungen sowie die treffsicher gewählten Anspielungen auf „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende aus „11“ ein Buch, das seine psychologische und märchenhaft-abenteuerliche Tiefenspannung stetig behält. Am Ende lässt es die Lesenden im wünschenswerten Idealfall so zurück, dass sie gerne dem Pfad, den Martin Beyer so behutsam und einfühlsam gespurt hat, weiter folgen möchten, dem sie zuvor erfüllend erwartungsvoll gegangen sind.