Alles hängt zusammen

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theresia626 Avatar

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Die Hauptperson in „Elf Leben“ (im Original „Eleven“) von Mark Watson ist Xavier Ireland. 2003 beginnt er als Runner bei einem Radiosender, kocht Tee, steckt Kabel in die Wände und ist lange Zeit das Mädchen für alles, bis er später zum Assistenten des Moderators und Producers Murray aufsteigt. Inzwischen haben sich die Rollen umgekehrt. Xavier ist der Radiomoderator der Late Lines-Show und der Berater für die große, schlaflose Hörerschaft Londons. Nachts rufen bei ihm die Ratlosen und von Sorgen geplagten Menschen an, erzählen ihre Geschichten und erhoffen sich Ratschläge. Doch er mischt sich nicht in ihr Leben ein, er hört ihnen nur zu. Xavier – der eigentlich Chris Cotswold heißt – ist gebürtiger Australier, Mitte dreißig, Turnier-Scrabble-Spieler und zieht Hals über Kopf von Melbourne in das kalte London. Zwei Wochen nach seiner Ankunft hat er eine neue Identität, eine neue Adresse und einen Job. Er hat seine Vergangenheit hinter sich gelassen, die ihn quält und von der er vorerst wenig preisgibt. Das ändert sich, als er bei einem Speed-Dating die vor Lebensfreude übersprudelnde Pippa kennenlernt. Anfangs putzt sie nur seine Wohnung, später verlieben sich beide ineinander. Sie bringt Leben in sein trostloses Dasein und bewegt ihn dazu, Verantwortung zu übernehmen und sich auch einmal einzumischen, wie sie es gern und oft tut.

Die Idee des Buches ist eine ausgefuchste Geschichte. Es geht um den Dominoeffekt, bei dem ein Windhauch genügt, die Steine in Bewegung zu bringen, wodurch sich die Ereignisse verketten. Das Anfangsglied in der Kette der Ereignisse in „Elf Leben“ ist Frankie, dessen Peiniger Xavier nicht abhalten kann, ihn zu verprügeln, woraufhin seine Mutter - Jacqueline Carstairs - die aufgrund des Vorfalles schlechte Laune hat, eine ätzende Kritik über das Restaurant Chico’s von Andrew Ryan schreibt, der wiederum aus Ärger darüber Julius Brown feuert, der einen Fehler gemacht hat und so weiter und so fort bis hin zu dem Barmann Alessandro Romano, das elfte Glied in der Kette, der ein gebrochenes Herz hat, weil…. (S. 239).
Das sind elf Menschen, die sich niemals in ihrem Leben begegnen werden und doch irgendwie auf wundersame Weise miteinander verbunden sind. Die Charaktere sind gut gezeichnet, allen voran Xavier, die wichtigste Figur des Romans. Der Autor verwendet einen allwissenden Erzähler, der alles über seine Personen weiß, sogar in zahlreichen Vorausdeutungen zukünftige Entwicklungen vorwegnimmt. „In zwanzig Jahren wird Andrew Ryan in einem Hotelzimmer in Hongkong auf diesen Vorfall zurückschauen … und verblüfft feststellen, dass sein jüngeres Ich manchmal ein absolutes Arschloch war, nicht zuletzt durch den Alkohol und die Drogen.“ (S. 81) Mir hat der Roman von Mark Watson vor allem wegen seines ungewöhnlichen Plots gut gefallen. Er veranlasst den Leser, über kausale Verknüpfungen im eigenen Leben nachzudenken.