Elf Leben

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Chris Cotswold alias Xavier Ireland ist gebürtiger Australier und lebt in London. Soziale Kontakte pflegt er fast ausschließlich zu Murray, seinem Co-Moderator bei dem Radiosender, bei dem Xavier eine nächtliche Show moderiert. Nach und nach ist Xavier in Murrays Stellung als Moderator der Sendung eingerückt, Murray etwas zurückgetreten. Alles geht seinen gewohnten Gang.

Eines Tages überredet Murray Xavier dazu, ihn zu einem Speed-Dating zu begleiten. Für Murray endet das Spped-Dating mit einem Reinfall - keine der Frauen meldet sich bei ihm - Xavier lernt Pippa kennen. Sie wird seine Putzfrau, später, mit einigen Umwegen, seine Freundin.

Pippa, eine direkte Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, spricht Xavier wiederholt darauf an, dass er so zurückgezogen lebt. Weder zu der Frau -  Mel -, die im Haus die Wohnung unter ihm bewohnt, noch zu der - Tamara -, die in der Etage über ihm lebt, hat er mehr Kontakt als dass sie ein paar belanglose Worte wechseln, wenn sie sich im Treppenhaus zufällig über den Weg laufen. Und das obwohl die Wohnungen so hellhörig sind, dass man nahezu jedes Geräusch aus der Wohnung über oder unter der eigenen hören kann. Xavier nimmt teil am Leben seiner Nachbarn; er hört Tamara mit ihrem Freund lautstark streiten, hört, wie Mel Probleme mit ihrem kleinen, etwas übermäßig lebhaften  Sohn Jamie hat. Zuhören ist alles was er tut - im Alltag wie in seiner Radioshow. Ein paar Worte, kein aktives Tun. Xavier lebt vor sich hin und versucht, mit niemandem enge freundschaftliche Verbindungen einzugehen.

Warum aber? Erst spät im Buch erfährt man, warum Xavier - Chris - vor einigen Jahren Australien für immer den Rücken zugekehrt hat. In Australien gehörte er zu einer kleinen, eingeschworenen Vierergruppe - zwei Paaren - alles passt zusammen. Gefunden hatten sie sich als Schulfreunde und waren schließlich zu Paaren geworden, die nahezu jede freie Minute miteinander verbrachten. Eines Tages, während seine Freunde - Russell und Beck zusammen mit Xaviers Freundin Matilda - ein Konzert besuchen, passt er auf deren Baby auf - ein Baby, dass sie sich seit Jahren gewünscht haben. Als endlich die Nachricht von der Schwangerschaft kommt, sind alle vier überglücklich. Xavier passt nun also einen Abend auf das Baby auf und lässt es - bedingt durch einen unglücklichen Zufall verbunden mit Xaviers Unerfahrenheit - fallen. Das Kleine erleidet schwerste Verletzungen, überlebt aber. Mit der Freundschaft ist es nun allerdings aus, genauso wie mit seiner Beziehung. Geplagt und fast zerfressen von Schuldgefühlen lebt Xavier einige Zeit bei seiner Familie, als es auch mit dieser zum Zerwürfnis kommt, beschließt er, ein neues Leben, weit weg von allem und allen Bekannten zu beginnen. England - London!

In London lebt Xavier sein Leben dahin - kümmert sich nicht bzw. nur wenig um Andere. Doch auch oder gerade dass hat Konsequenzen für deren Leben. Jeder Tat bricht eine kleine Lawine los, hat Wirkungen auf andere Personen und deren Verhalten. Elf Leben werden im Verlauf des Buches miteinander verknüpft. Begonnen hat alles mit einem Jungen, der zusammengeschlagen wird und dem Xavier nicht helfen kann und auch nicht wirklich will - enden soll alles damit, dass Mels Sohn Jamie fast von einem Auto überfahren wird.

Doch dazwischen stehen viele kleine Details, Aktionen, die Andere ausführen, Entscheidungen, die Andere Treffen. Und doch hat alles mit Xaviers Entschluss begonnen, sich nicht mehr einzumischen.

Und irgendwo dazwischen ist Pippa - ursprünglich angestellt, um Xaviers schon leicht heruntergekommene Wohnung zu putzen, entwickelt sich die Beziehung schließlich zu genau einer solchen. Pippa ist ehrlich, sie kritisiert Xaviers mangelndes Interesse am Leben anderer und bewegt ihn so zum Umdenken. Er beginnt, kleine Schritte auf andere zuzugehen. Er rettet so einem Mathelehrer, der schon seit Wochen mit dem Gedanken an Selbstmord spielt, mittels eines einfachen Gespräches unter vier Augen das Leben, erfährt, dass Tamara ihren Lebensgefährten schlägt und entlastet Mel, indem er sich anbietet, mit Jamie einen Spaziergang zu unternehmen. Kleine, unproblematische Handlungen, die am Ende großes Bewirken.

Ganz zum Schluss des Buches dann eine wirklich große Tat von Xavier: Jamie droht überfahren zu werden und Xavier reagiert einfach, indem er losrennt und den kleine Jungen von der Straße stößt. Er rettet ihm das Leben und setzt dabei sein eigenes aufs Spiel. Das Buch endet mit Xaviers Gedanken, als er, getroffen vom Auto durch die Luft geschleudert wird. Das Ende bleibt offen…

 

Ohne Blut, Mord, Totschlag oder ähnliche Aufmacher fasziniert „Elf Leben“ allein dadurch, die Leben von elf einander völlig unbekannten Menschen miteinander zu vernetzen. Kleinigkeiten, schon vergessen bevor sie getan sind, wirken auf ungeahnte Weise auf unser Umfeld - wie der vielgerühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der am anderen Ende der Welt einen Sturm hervorbringt.

 

Wir alle sollten mit viel offeneren Augen durchs Leben gehen!