Ursache und Wirkung - Elf mal bewegend inszeniert

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r.e.r. Avatar

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Xavier Ireland moderiert seit fünf Jahren die Late Night Sendung einer Londoner Radiostation. Eigentlich heißt der ehemalige Australier Chris Cotswold. Nach einem tragischen Unfall in seinem privaten Umfeld hat er seine Heimat verlassen um mit veränderter Identität ein neues Leben zu beginnen. Während einer Speed Dating Veranstaltung lernt er die Putzfrau Pippa kennen. Nach kurzer Zeit bringt die engagierte Reinigungskraft nicht nur seine verlotterte Wohnung auf Vordermann. Dann wird Xavier Zeuge einer Auseinandersetzung auf offener Straße, bei der ein Junge von einer Bande Jugendlicher misshandelt wird. Er reagiert zwar auf das Geschehen, jedoch nur halbherzig und verbal. Wendet sich schließlich sogar ganz ab. Eine verhängnisvolle Entscheidung, die am Ende elf Menschenleben fundamental verändert.

 

Den Kern seines Werkes fasst Watson in einem Satz zusammen, den er Pippa in den Mund legt: “Du kannst das Leben von jemandem ändern, ohne es überhaupt zu wissen.” Zu diesem Zeitpunkt ist der Leser bereits Zeuge einiger fataler Folgen von Xaviers nicht eingreifen geworden. Wie Perlen an einer Kette reiht der Autor menschliche Schicksale aneinander um sie dann wie Rädchen in einem Uhrwerk ineinander greifen zu lassen. Blitzlichtartig beleuchtet er die Situation der Figuren, deren Leben durch die Kettenreaktion einen anderen Verlauf nimmt. Zunächst weiß man nicht welche Figuren zu den “betroffenen Elf” gehören. Denn neben ihnen tauchen die Menschen auf, die in Xaviers Vergangenheit in Australien eine Rolle spielten. Und jenen die sein gegenwärtiges Leben dominieren, bis hin zu den Hörern seiner Sendung, die ihn wie eine Art Heilsbringer verehren. In kurzen Zusammenfassungen wird man aber immer wieder informiert, welche Wirkung mit welcher Ursache zusammenhängt. So verliert man trotz der Fülle der Einzelschicksale nicht den Überblick.

 

Dazu kommt, das Watsons Figuren glaubhaft und prägnant sind, wie aus dem Leben geschnitten. Knapp, klar und präzise zeichnet er die Persönlichkeiten. Obwohl vielen nur eine winzige Rolle zuteil wird, bleibt ein dauerhafter Eindruck. Als Beispiel sei hier der hyperaktive Jamie genannt. Der kleine Junge tyrannisiert mit seinem lautstarken Bewegungsdrang nicht nur seine alleinerziehende Mutter Mel, sondern auch Xavier der über den beiden wohnt und oft von ihm aus dem Schlaf gerissen wird. Mit dem Trick der vorausschauenden Prophezeiung wird der Blickwinkel auf das Kind entscheidend beeinflusst. Man erfährt das das nervtötende Balg in zwanzig Jahren ein Heilverfahren für zwei Arten von Krebs erfinden wird.

 

Auf weitere Details gehe ich bewusst nicht ein. Denn der Reiz der Lektüre besteht darin, die Entwicklungen beim Lesen zu verfolgen und sich von den Wendungen überraschen und beeindrucken zu lassen.

 

Laut Verlagsinformationen ist Mark Watson, wie sein literarischer Held, im wirklichen Leben Moderator. Er arbeitet für Radio und Fernsehen, verfasst Kolumnen und gilt als erfolgreicher Stand-up Comedian. All das spiegelt sich in seiner Art zu Schreiben wieder. Leichfüßig, humorvoll, einfühlsam und mit der Fähigkeit Menschen schnell und richtig zu beurteilen.

 

Wer den Gedanken teilt, das das Leben aus einer Verflechtung unabwendbarer Momente besteht, wird dieses Buch mögen. Wer daran glaubt, das das Schicksal vorbestimmt ist, wird die Geschichte lieben. Wer seine Handlungen davon abhängig macht, was diese vielleicht auslösen können, wird nach der Lektüre möglicherweise sogar ein anständigerer Mensch.