Ein grandioser Roman

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januar12 Avatar

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Sanne und Petra, zwei Schwestern, Mitte 50, können unterschiedlicher nicht sein. Während Sanne früh geheiratet, gebaut und Kinder bekommen hat, sich um die Eltern vor Ort gekümmert hat, immer wusste wo es lang gehen sollte und die Richtung bestimmt hat, ist Petra weggezogen, hat studiert, einen gutbezahlten Job und eine langjährige heimliche Beziehung. 𝗔𝘂𝘁𝗼𝗿𝗶𝗻 𝗨𝘁𝗲 𝗠𝗮𝗻𝗸, deren Buch 𝗪𝗶𝗹𝗱𝘁𝗿𝗶𝗲𝗯𝗲 mir schon aufgrund der sehr gut ausgearbeiteten Protagonisten so gut gefallen hat, hat mich auch diesmal überzeugt, sogar noch mehr als mit dem ersten, und das war schon spitze.

Ute Mank erzählt die Geschichte, sie sich über einen Zeitraum von ca. einem dreiviertel Jahr zieht aus den unterschiedenlichen Sichtweisen von Sanne und Petra. Jede der Schwestern glaubt, die jeweils andere habe das glücklichere Leben. Immer wieder denken die beiden an ihre Vergangenheit, über gemeinsam erlebte Ereignisse, die dennoch von jedem anders erlebt und gesehen wurden. Sie haben sich schon lange auseinander gelebt, sprechen kaum miteinander. Was auch? Als Sanne einfach beschließt, dass die betagten Eltern aus dem Elternhaus aus und in eine seniorengerechte Wohnung einziehen müssen, weil es ja "so für die beiden das Beste ist", muss sie sich auch Gedanken darüber machen, was nun mit dem Elternhaus geschehen soll. Petra und die jüngere Schwester Gitta werden, ebenso wie die Eltern, erst gar nicht um ihre Meinung gefragt. Sanne glaubt für alle das richtige entschieden zu haben, sie war ja immer diejenige, die wußte wo es lang ging. Doch war es wirklich die richtige Entscheidung? Vor allem die Art, wie Sanne alles handhabt, wie sie über andere bestimmt, auch aus dem besten Willen heraus, das kann nicht gutgehen. Bei Sanne, aber auch bei Petra, setzen nach den getroffenen Entscheidungen Veränderungen im Leben ein, manche als Folge daraus, andere weil sie sich ergeben und ganz langsam scheinen sich ihre Lebensumstände anzunähern bzw. sich ihr Rollen zu vertauschen.

Der Schreibstil von Ute Mank gefiel mir wieder ausgesprochen gut. Sie hat einen ganz eigenen, ganz besonderen Stil und der lässt jedes mal die Seiten in mir klingen beim Lesen. Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Detailliert ohne ausschweifend zu sein. Sie hat es geschafft, dass ich mir ein realistisches Bild der Figuren im Kopf vorstellen konnte. Es war wie Nachbarn nicht nur über den Zaun zuschauen zu können, sondern in ihre Haut zu schlüpfen.
Es geht um Familie und Veränderungen, wenn die Kinder ausgeflogen sind, die eigenen Eltern hilfsbedürftig werden, aber auch über Geschwister, deren Lebenswege ganz unterschiedlich verlaufen sind. Um das, was ein Elternhaus für jeden einzelnen bedeutet. Über Sprachlosigkeit innerhalb der Familie, über Entscheidungen, getroffen aus dem besten Willen, aber ohne familiären Zusammenhalt. Ein Stein, den man ins Wasser geworfen hat, der nun Kreise zieht. Eine sehr gut ausgearbeitete Geschichte, in der sich fast jeder irgendwie ein kleines bisschen wiederentdecken kann