Lebensnah

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Ute Mank behandelt in ihrem Roman "Elternhaus" ein ganz alltägliches Thema. Sie schildert Situationen, die so jeden Tag in zig Familien zigfach passieren: die Eltern werden alt, können sich nicht mehr ohne Weiteres selber versorgen, die Kinder müssen ran und Unterstützung leisten. In der Geschichte ist es vor allem Sanne, die älteste Tochter, die sich verpflichtet fühlt und sich kümmert, zumal sie ja ganz in der Nähe wohnt. Für sie ist der Spagat zwischen den Ansprüchen, die ihre eigene Familie an sie hat und denen ihrer Eltern, eine große Herausforderung. Der schmale Grat zwischen Unterstützung und Bevormundung der hilfsbedürftigen Eltern wird immer schwieriger zu bewältigen. Ihre beiden jüngeren Schwestern, Petra und Gitti, halten sich raus. Petra hat schon früh der Familie den Rücken gekehrt, ist in die Großstadt gezogen, hat studiert und sich dort ein ganz eigenes Leben aufgebaut. Gitti, die Jüngste der drei, ist als Nesthäkchen sehr behütet und umsorgt aufgewachsen und kommt in ihrer Unbekümmertheit gar nicht auf die Idee, nun auch mal Verantwortung übernehmen zu müssen. Jede lebt ihr eigenes Leben, die Entfremdung zwischen den Schwestern, vor allem den beiden Älteren, ist regelrecht greifbar. Und doch macht sich jede der drei immer wieder Gedanken darüber, warum die Situation so ist und warum die anderen so handeln, wie sie es tun. Keine kann den Lebensentwurf und das Vorgehen der anderen wirklich nachvollziehen. Ute Mank beschreibt jede einzelne Person so präzise und treffend, dass es einem als Leser jedoch gar nicht schwerfällt, jede von ihnen in ihrem Handeln genau zu verstehen. Durch die wechselnden Erzählperspektiven bleibt die Geschichte bis zum Schluss sehr lebendig und fesselnd. Die Sprache ist einerseits knapp und wenig emotional, andererseits aber auch so eindeutig und präzise, dass jeder Satz ein Volltreffer ist. Ein nachdenklich machendes, kluges Buch, das ich uneingeschränkt weiterempfehle!