Moderne Mystik

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Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft beginnt, wird schon bald zu einer tiefen leidenschaftlichen Liebe. Als Anführer ihrer beiden Völker sind Elyssa und Aeneas jedoch nicht nur sich selbst verpflichtet, sodass die Verbindung der beiden unter keinem guten Stern zu stehen scheint.

Es ist einige Jahre her, dass ich von Vergills Mythos um die Königin Karthagos, zum ersten Mal in einem Lateinbuch gelesen habe. Was damals noch eher Mittel zum Zweck gewesen ist, habe ich dank Irene Vallejos Roman nun wieder entdecken dürfen. Verschiedenste Protagonisten, u.a. der Dichter Vergill selbst, oder der berühmte Liebesgott Eros, werfen in den einzelnen Kapiteln aus ihrer Perspektive einen Blick auf das schicksalhafte Kennenlernen von Aeneas und Elyssa. Die Neurerzählung des Mythos beschränkt sich jedoch nicht nur auf Romantik, sondern stellt auch das politische Gefüge, in dem sich Elyssa als Königin immer wieder neu gegen machthungrige Männer behaupten muss, in den Vordergrund. Mir gefällt die Ausarbeitung ihres Charakters, diese sanfte Balance zwischen starker Regentin und träumerischer Liebhaberin. Noch mehr gefällt es mir, dass in diesem Text nicht etwa Aeneas, der Held, im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern Elyssa als Frau und Königin.

Der Trend der letzten Jahre, antike Geschichten in modernen Romanen, neues Leben einzuhauchen, wurde von Irene Vallejo mit "Elyssa. Königin von Karthago." mutig fortgesetzt. Für mich ist diese Art von Büchern immer noch nicht alt geworden, wird es vielleicht nicht. Die Gestaltung der deutschsprachigen Ausgabe aus dem Diogenesverlag ist außerdem ausgesprochen schön.