Schlimme Kindheit

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buecherwurm Avatar

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Durch den Adler auf dem Cover bekommen wir bereits die Grundstimmung des Romans vermittelt: Es geht um den Wunsch, sich kraftvoll über alles hinweg zu erheben und Verletzungen aus der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Hochinteressante Figuren, ungeheuer dichte Atmosphäre. Das Motiv der Zugfahrt nach Malma wiederholt sich auf drei Zeitebenen.
Es entsteht eine ungeheure Spannung, indem aus den unterschiedlichen Perspektiven der Personen ein Puzzleteil nach dem anderen aufgedeckt wird. Im Zentrum steht Harriet, von der eigenen Mutter verlassen, als Mutter überfordert. Ihre Handlungen sind teilweise absurd und dennoch nachvollziehbar. Sie ist besessen von dem Wunsch, ihre Kindheit aufzuarbeiten. Das überfordert ihren Mann Oskar, selbst von einer grausamen Mutter geprägt, und nun ein diffus unnahbarer Vater.
Verlust ist ein zentrales Thema auch im Leben ihrer Tochter Yana. Sie alle verspüren eine Ohnmacht, ihr Leben nicht selbst bestimmen zu können, denn das Trauma wird über Generationen weitergegeben.
An einigen Stellen überzeugt mich der Handlungsstrang allerdings nicht ganz. Es ist mir teilweise zu weit weg von dem, was meiner Auffassung nach plausibel wäre. Die Rolle des Haustiers über nahezu fünfzig Jahre hinweg etwa nimmt zu viel Raum ein. Auch hätten mich mehr Details aus Oskars Vergangenheit interessiert, er ist der flachste Charakter im Roman.
Das hat mein Leseerlebnis insgesamt aber nicht maßgeblich geschmälert. Wer psychologischen Tiefgang schätzt, ist mit diesem Buch auf der sicheren Seite.