Toxische Familienverhältnisse

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Erneut legt Schulmann einen Roman vor, deren Handlung nicht linear erzählt wird. Hierbei kopiert der Autor aber nicht einfach seine ‚Idee‘ aus dem letzten Buch, sondern geht ganz anders vor.
Erzählt wird eine Geschichte über einen Zeitraum von 30-40 Jahren aus Sicht verschiedener und bei jedem Kapitel wechselnder Charaktere. Als wiederkehrendes Element fungiert eine Zugfahrt nach Malma (daher der Buchtitel), die die Hauptcharaktere zu verschiedenen unternehmen.

Aus Rücksichtnahme vor allen potentiellen Leser:innen, die das Buch noch ‚vor sich‘ haben, empfiehlt es sich, bei einer Auseinandersetzung mit dem Text vorsichtig vorzugehen. Dieses Buch ist auf eine Art und Weise komponiert, die Charaktere innerhalb der Geschichte so angeordnet, dass man dieses Buch tatsächlich nur einmal lesen kann. Beim zweiten Mal wird es ein anderes Buch sein und der Lesende wird zweifelsohne viele Abschnitte mit anderen Augen sehen. Das ist aus meiner Sicht ein Kunststück, welches Schulmann wie schon bei seinem Buch ‚Die Überlebenden‘ auch hier vollbringt - und zwar auf hohem Niveau.

Eine Familiengeschichte, Wirkung von Eltern auf ihre Kinder, Verletzlichkeit von Kindern, Ängste, unausgesprochene aber gleichwohl ständig präsente depressiven Phasen, Geheimnissen und Enttäuschungen. Um all das kreist dieses Buch. Oftmals ist die Stimmung bedrückend. Schulmann erreicht es, dass man sich als Leser genauso vorsichtig verhält wie einige seiner Charaktere – möglichst die Eltern nicht verärgern und für Schlimmes verantwortlich sein.

Die erste Bahnfahrt unternehmen die 11 jährige Harriet und ihr Vater im August 1976. Die zweite Bahnfahrt unternimmt die erwachsene Harriett zusammen mit ihrem Mann am 17.09.2001. Die dritte Bahnfahrt wird von Yana alleine etwa in den 2020er Jahren unternommen.
Wie diese Reisen zusammenhängen und wie die verschiedenen Charaktere zueinanderstehen, sollte an dieser Stelle nicht verraten werden. Eine der großen Fragen ist, warum Yanas Mutter plötzlich nicht mehr nach Hause kam. Was ist passiert und warum ist das passiert?
Eine starke Leistung des Autoren, die allerdings bei genauer Betrachtung teilweise nicht stimmig erscheint. Möglicherweise muss dieses Buch aber tatsächlich ein zweites Mal gelesen werden, damit man alle Zusammenhänge erkennt.

Insgesamt unterhaltsam, gut lesbar, spannend und alles andere als oberflächlich.
Gleichwohl letztlich eine Aneinanderreihung toxische Familienverhältnisse und Beziehungen, die am Ende zumindest nach dem ersten Lesen nicht nachvollziehbar aufgelöst werden.