Einladung, die eigene Kindheit zu reflektieren

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Das Buch „Ent-Eltert euch!“ von Sandra Teml und Martin Wall lädt dazu ein, die eigene Kindheit zu reflektieren und ungesunde emotionale Abhängigkeiten von den Eltern zu lösen. Auf 240 Seiten wird dieses komplexe Thema kompakt und zielgerichtet dargestellt.

Die Autor:innen arbeiten dabei mit vielen Beispielen von konkreten Eltern-Kind-Beziehungen, die sich von Problemanalyse bis Lösung durch das Buch ziehen. So werden Themen anschaulich und der Lesefluss aufgelockert. Insgesamt ist der Stil verständlich und sachlich gehalten. Die persönliche Ansprache der Leser:innen passt zu dem sehr intimen Thema.

Gleich zu Beginn wird deutlich, dass es sich bei „Ent-Eltert euch!“ um ein Buch handelt, dass eine gewisse Mitarbeit erfordert, um einen Nutzen zu haben. Verschiedene Übungen laden zur Reflexion der eigenen Eltern-Kind-Beziehung ein. An mehreren Stellen wird auch darauf hingewiesen, dass komplexe Kindheitstraumata und eingerostete Beziehungsmuster auf jeden Fall weitergehende und tiefergehende Behandlung und/oder Therapiesitzungen benötigen, um gelöst zu werden. Das Buch kann also jedoch dabei helfen, diese Muster zunächst erst einmal aufzuspüren.

Laut den Autor:innen ist der Zeitpunkt im Leben, an dem man selbst zu Eltern wird, oft ein Punkt, an dem man noch einmal mit Themen aus der eigenen Kindheit konfrontiert wird und beginnt, sich mit der Beziehung zu den eigenen Eltern auseinander zu setzen. Aus diesem Grund hat mich das Buch angesprochen. Eine deutliche Schieflage in der Beziehung oder emotionale Abhängigkeit, wie in den Beispielen beschrieben, konnte ich in der Beziehung zu meinen Eltern nicht entdecken. Das Buch fokussiert sich jedoch, gerade im Lösungsteil, sehr auf diese Muster. Die Entwicklung als eigenständige, erwachsene Person, losgelöst von den Eltern ist das zentrale Ziel.

Gerne hätte ich mehr darüber gelesen, wie Prägungen aus der Kindheit das eigene Handeln auch losgelöst von der (aktuellen) Eltern-Kind-Beziehung bestimmen. Denn auch wenn die Kommunikation und die Beziehung mit den Eltern inzwischen wertschätzend und dem Alter angemessen verläuft, haben Themen wie Perfektionismus und Leistungsdruck ihren Ursprung in der Kindheit. Insgesamt hätte ich mir hier weitere Einsichten und Lösungsmethoden gewünscht.

Insgesamt finde ich das Buch empfehlenswert für alle, die aktuelle Konflikte mit ihren Eltern angehen wollen und sich einen kompakten Einstieg in dieses komplexe Thema wünschen. Zudem ist das Buch auch aus der Perspektive als Eltern spannend zu lesen und regt zu einem achtsameren und reflektierten Umgang mit den eigenen Kindern ein.