Tolle Idee, bescheidene Umsetzung

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krabbe077 Avatar

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Equilon ist ein dystopischer Zukunftsroman, in dem der Klimawandel unseren Planeten in Teilen schon unbewohnbar gemacht hat. Man erfährt aus Sicht zweier junger Menschen, Jenna und Dorian, über Equilon und die „eine Milliarde“. Equilon ist ein Algorithmus der bestimmt, wer durch seine tagtäglichen Errungenschaften in den privilegierten und exklusiven Kreis der „eine Milliarde“ aufsteigt. Wie genau sich der sogenannte Score zusammensetzt weiß niemand, jedoch bekommt man dazu im Laufe der Geschichte nach und nach mehr Hinweise. Das Buch ist in der Ich-Perspektive geschrieben und wechselt kapitelweise zwischen den beiden Protagonist:innen.

Jenna hat es geschafft, den Score zu knacken und befindet sich auf dem Weg nach New Valley, einem der Orte, an denen sich die „eine Milliarde“ offenbar mit der Rettung des Klimas und des Planeten beschäftigt. Dorian wiederum gehört zu den Verlierern des Systems. Sein Score wird von Evaluation zu Evaluation schlechter. Er trifft zu Beginn der Geschichte ein junges Mädchen und ihre sterbende Mutter, die zu den „Unsorted“ gehören, welche sozusagen das untere Ende der Gesellschaftsordnung bilden. Während Jenna versucht, sich an ihren neuen Alltag im Paradies zu gewöhnen, beginnt für Dorian und die kleine Maggie eine abenteuerliche Reise entlang der Westküste der USA.

Die Erzählungen der beiden sind durchzogen von teilweise haarsträubenden inneren Monologen, die für meinen Geschmack viel zu viel Platz eingenommen haben. Dazu kommen Jennas zahlreiche Musikreferenzen und Dorians Gedichte, bei denen mir nicht klar wurde, welchen Zweck sie für die Geschichte erfüllen. Darunter leidet in meinen Augen der ganze Roman, da sich diese spannende Welt nie wirklich entfalten kann. Die Sprache erzeugte in meinem Kopf leider keine Bilder, da sie ständig von den sich immer wiederholenden Gedanken der beiden unterbrochen wird.

Die Idee hat mir eingangs gut gefallen, da sie ein durchaus plausibles Szenario für die kommenden Jahrzehnte aufwirft. Für einen kleinen, sehr wohlhabenden, Teil der Menschheit, wird auf der Erde wohl noch sehr lange ein Leben im Überfluss möglich sein, während in Teilen der Welt die weniger Begünstigten schon heute ums Überleben bangen. Leider haben mich Sprache und Charaktere nicht überzeugt. Jenna hatte mit ihrem messerscharfen Verstand das Zeug zu einer unabhängigen und starken Protagonistin. Dann verfällt sie aber erstaunlich schnell ihrem Märchenprinzen, der zufällig einer der einflussreichsten Menschen in New Valley ist und stellt dies zu keinem Zeitpunkt ernsthaft infrage. Der sensible und von Selbstzweifeln zerfressene Dorian wirkt da zu Beginn zwar glaubwürdiger, durchläuft am Ende aber einen ähnlich klischeehaften Wandel, wenn er zum Retter in der Not wird. Die interessantesten Charaktere waren für mich Maggie und Thomas, dessen Rolle ich, um Spoiler zu vermeiden, nicht näher nenne. Leider wurden deren Potenziale nicht ausgeschöpft und sie gehen ein bisschen in der Handlung unter. Fairnesshalber muss ich an dieser Stelle anmerken, dass ich vermutlich nicht zur Zielgruppe dieses Romanes gehöre, weshalb ich auf verschiedene sprachliche Eigenheiten nicht eingehe. Eine jüngere Leserschaft stört sich daran wahrscheinlich weitaus weniger, verdient aber nichtsdestotrotz weniger klischeehafte Charaktere.