Kein Erbarmen für Merete Lynggaard

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sabatayn76 Avatar

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Der dänische Autor Jussi Adler-Olsen steigt abrupt in die Geschichte der Gefangenhaltung und Folter der Parlamentsabgeordneten Merete Lynggaard ein. Der Leser befindet sich so von der ersten Zeile an inmitten der Geschehens und damit inmitten des Grauens. Wer die Entführer sind und was ihre Beweggründe für ihre Grausamkeiten sind, erfährt der Leser noch nicht. Und auch Merete selbst befindet sich in Ungewissheit.

Währenddessen rätselt Carl Mørck von der Kopenhagener Polizei, wie es zum Verschwinden von Merete kam. Die Erklärung, dass sie ertrunken ist, kann und will er nicht glauben. Für ihn sieht das Ganze weder wie ein Suizid noch wie ein Unfall aus. Zuviele Personen sind verdächtig und es gibt zu viele plausible Gründe für ein Gewaltverbrechen.

Nach einen sehr vielversprechenden Einstieg ebbt die Spannung jedoch schnell wieder ab und die Geschichte verliert an Fahrt. So recht identifizieren konnte ich mich mit Merete nicht und ihr Leiden wirkt wenig authentisch. Die geschilderte Umgebung und die auferlegten Qualen sind zwar für sich genommen schrecklich, aber Meretes Gefühle werden ohne sprachliche Tiefe beschrieben. Andererseits könnte man angesichts der erlebten Grausamkeiten eine Gefühlskälte erwarten, eine Distanzierung des Opfers von seinen Erfahrungen, doch auch dies wird in der Leseprobe nicht deutlich. Nach der Leseprobe fällt es mir schwer, eine Entscheidung über den Spannungsbogen des gesamten Buches zu treffen. Bisher klingt es nach einer Geschichte mit einem schockierenden Aufhänger, die jedoch keine emotionale Reaktion hervorruft, die angesichts des Themas zu erwarten wäre. Abgesehen davon bin ich selbstverständlich neugierig, was Merete verbrochen hat, warum sie all das verdient hat, und ich hoffe, dass der Autor eine plausible und glaubwürdige Erklärung liefern kann.