Etwas zu ruhig und unaufgeregt, mit dem Ende konnte er positiv überraschen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
aly53 Avatar

Von

Allein der Titel „Erinnere dich!“ von Max Reiter klingt nach so unglaublich viel. Der perfekte Thriller sozusagen.
Nur das es in meinen Augen eher ein Psychothriller oder doch eher Spannungsroman ist. Denn gerade auf der psychologischen Ebene passiert hier eine ganze Menge.

Der Schreibstil des Autors ist sehr angenehm. Die Atmosphäre drückend und beklemmend. Im Fokus steht der liebe Arno, dessen Perspektive wir auch erfahren. Hier hätte ich mir eindeutig mehr Sichtweisen gewünscht, um das Ganze einfach vielschichtiger und brisanter zu gestalten.
Arno ist kein schlechter Kerl. Er ist vom Wesen her sehr trocken und in sich gekehrt. Der typische Einzelgänger, der nur selten jemand an sich heranlässt. Ich konnte ihn nie ganz greifen.
Ebenso verhielt es sich mit den übrigen Charakteren. Sie waren da, aber auch wieder nicht. Wie ein Schatten aus der Vergangenheit, der nie ganz verschwindet.
Hier bekommt man es mit einigen Charakteren zu tun. Nicht jeder ist wichtig und trotzdem hätte man gerade aus diesen sehr viel mehr herausholen können.
So schien mehr oder weniger jeder sein eigenes Ding zu machen.

Die Thematik selbst hat mir unglaublich gut gefallen und versprach einiges an Intensität und nervenaufreibenden Momenten.
Leider war die Umsetzung nicht ganz so wie erhofft.
Es ist sehr ruhig und unaufgeregt.
Man muss sehr tief graben, damit sich überhaupt etwas bewegt.
Dafür verliert sich der Autor allzu gern in den Details der Vergangenheit und der Umgebung. Und er vergisst auch niemals mehrfach daran zu erinnern, dass man seine Schuld zu begleichen hat. Was hin und wieder doch etwas zu viel des Guten war.
Doch ist das überhaupt der Fall?
Maja hängt wie ein dunkler Schatten über allem und man ist sich nie sicher, ob sie wirklich tot ist, oder eben nicht.

Die Psychospielchen haben mir dagegen richtig gut gefallen.
Subtil, tiefsinnig, grausam.
Er gräbt nicht nur in der Vergangenheit, sondern man spürt direkt, wie gezielt manipuliert und zermürbt wird. Das lässt direkt alle Alarmglocken losschrillen.
Und ganz nebenbei bricht auch noch die Seele auseinander.
Begleitet wird es unablässig von Paranoia und Wahn, was immer wieder Wunden aufplatzen lässt.
Man lauscht immer wieder Arnos Selbstgeißelung. Was eigentlich richtig gut ist. Mich aber auch zermürbt hat.
Denn vom emotionalen her war es staubtrocken. Es war kein Leben, keine Energie vorhanden.
Keine Verzweiflung, keine innere Zerrissenheit, die man als solches hätte fühlen können. Aber das ist genau das, was diesen Roman hätte ausmachen können und müssen.
Der Autor wechselt dafür gerne mal die Richtungen und das nicht zu knapp.
Was ihm äußerst gut gelungen ist.
Mit dem Ende konnte er mich wirklich noch positiv überraschen. Denn dort waren Energie und Emotionen vorhanden.
Man wird von einem Abgrund verschluckt, der es wirklich in sich hat.
Wie eine kalte Dusche, die schon so viel eher zum Einsatz hätte kommen müssen.
Insgesamt kein schlechter Roman, aber hier wäre eindeutig mehr möglich gewesen.
Es ist allerdings beängstigend und zutiefst verstörend, wie leicht der Mensch manipuliert und angreifbar gemacht werden kann.

Fazit:
"Erinnere dich“ von Max Reiter ist ein sehr subtiler und psychologischer Roman, der in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele führt.
Mir persönlich war es leider überwiegend etwas zu ruhig und unaufgeregt, dafür punktet der Autor mit einem Ende, das mich positiv überraschen konnte.
Insgesamt wurde hier jedoch einiges an Potenzial verschenkt.