Hält einem den Spiegel vor die Nase

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pixelina71 Avatar

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Judith geht auf die 50 zu, ihre Ehe dümpelt seit Jahren nur noch so dahin, die Kinder sind aus dem Haus und dann stirbt auch noch unvermittelt ihre Mutter.
Zur Beerdigung kehrt Judith in ihre alte Heimat zurück und trifft dort nach zwanzig Jahren erstmals wieder auf ihre Freundin Anne und auf ihre Jugendliebe Heiko.
Sie hat Anne immer bewundert, hatte diese doch Glück im Berufsleben und in der Ehe - aber nun sie hat auch Krebs.
Und Heiko, der flirtet sie wieder an wie früher, aber soll sie darauf eingehen?

Die Vergangenheit prasselt auf Judith nieder und mit ihr ein wohlgehütetes, zwanzig Jahre altes Geheimnis. Sie spürt, dass sie an einem Wendepunkt in ihrem Leben steht und fragt sich: War es das jetzt oder kommt da noch was? Wie geht es weiter und was will ich eigentlich?

Selber kurz vor dem 50. Geburtstag kann ich sehr gut nachempfinden, wie es Judith gerade geht. Man hat schon so Einiges hinter sich und eine monotone Regelmäßigkeit hat sich eingeschlichen. Was tun?

Der lockere Schreibstil der Autorin, ihre herrlich bissigen, witzigen und manchmal mal auch sehr auf die Spitze getriebenen Pointen, all das hat mir schon vor zwanzig Jahren bei ihrem Buch Mondscheintarif sehr gut gefallen.
Es ist, als würde man sich mit einer alten Freundin treffen, die ohne Punkt und Komma lossprudelt und man wirft hier und da lachend ein „Ja, genau!“ oder ein „So ist es!“ ein.

Die eigentliche Handlung, der rote Faden der Geschichte, tritt zwar zwischen all den Pointen hin und wieder etwas in den Hintergrund, aber es macht auch unheimlich Spaß, sich darin zu verlieren.

Und trotz aller Leichtigkeit regt das Buch doch zum Nachdenken über das eigene Leben an. Das Leben im Hier und Jetzt, auch wenn nicht immer alles perfekt läuft.

Ich habe jedenfalls nach der Lektüre die Bluse aus dem Schrank geholt, die ich noch nie getragen habe, weil sie „für gut“ gedacht war und ebenso das Geschirr von Oma, beides wird ab sofort benutzt. Das ist immerhin ein Anfang - wozu noch einmal fünfzig Jahre warten?