Auftakt einer Trilogie zum Hundertjährigen Krieg aus Söldnersicht

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Sommer 1346: englische Truppen setzen Fuß auf den Strand der Normandie. Es ist der Beginn eines Krieges, der dem englischen König die französische Krone sichern soll, welche er seit 1340 öffentlich beansprucht. Mittendrin: 10 Söldner, die Essex Dogs, aus deren Perspektive der Feldzug erzählt wird. Und während ihnen das große, politische Geschehen weitgehend egal ist (sofern es sie eben nicht selbst betrifft) besteht ein starker Zusammenhalt der Gruppe, der in den blutigen Wirren des Krieges auf die Probe gestellt wird.
Das einfache Söldnerleben wird von Dan Jones unverblümt dargestellt: Schmutz, Blut, Durchfall, Grausamkeiten und Obszönitäten. Von höfischem Rittertum ist hier keine Spur, besonders eindrucksvoll ist die Einbindung kurzer Zitate aus historischen Quellen zu Beginn jedes Kapitels: schlichte Worte, die im krassen Gegensatz zu der dann faktisch-fiktiv vermischten, spannenden Handlung steht.
Von den 10 Söldner stehen zwei im Vordergrund: Loveday, der alternde Anführer der Gruppe, und Romford, der Jüngste. Vier weitere der Männer – Millstone, Pismire, Father und Scotsman – sind ebenfalls ausreichend charakterisiert, bei den zwei Walisern, die kein Englisch sprechen, besteht zur Gruppe wie zum Leser hin eine gewisse Distanz. Aber die zwei Schützen Tebbe und Thorp erscheinen durch den ganzen Roman als kaum ausgearbeitete Einheit. Hier hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht.
Der Krieg und das aggressive Kampfgeschehen ist der Kern der Handlung. Und während actionreiche Szenen extrem fesselnd geschrieben sind, können die wenigen Nebenhandlungen nicht mithalten. Ohne hier zu viel zu verraten: Lovedays Frau, das Verschwinden des ehemaligen Anführers und die mysteriöse Fremde sind allesamt Aspekte, die relativ farblos bleiben und nur ab und an auftreten, aber ohne weitere Konsequenzen. Zudem ist das Ende für meinen Geschmack etwas zu offen und dadurch unbefriedigend. Vielleicht kann man diese Umstände auf die primäre Tätigkeit des Autors als Historiker zurückführen.
Und zum Thema Geschichte: die nicht-kriegerisch Beteiligten am Feldzug sind überraschend unsichtbar. Bei der englischen Landung werden Köche und Viehtreiber genannt und an einer Stelle werden Überlegungen bezüglich der Versorgungslinie gemacht, deren erzählerische Abwesenheit lässt sich vielleicht als für die söldnerischen Blickpunkte im Gegensatz zum akuten Kampf weniger relevant entschuldigen. Dennoch ist es seltsam, dass bei allem historischen Realismus die typischerweise im Umkreis eines Heeres zu findenden Personen, wie z.B. Prostituierte, unerwähnt bleiben.
Jeder Mittelalterfan, der sich für unterhaltsame Militärgeschichte interessiert, aber keine exakten Beschreibungen von Heeresstärken, Strategien und Kriegswerkzeugen sucht, wird hier auf seine Kosten kommen.
Alles in allem ein spannender, fesselnder historischer Roman, der eine neue Perspektive auf den Hundertjährigen Krieg eröffnet.