Ich komme zurück, wenn ich es nicht vergesse ...

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mittelhessin Avatar

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Etta, 83, hat einen großen Wunsch: Sie möchte einmal das Meer sehen. Mit ihrem Mann Otto lebt sie auf einer Farm in Saskatchewan und beschliesst, ihren Traum endlich in die Tat umzusetzen. Mit ein paar Habseligkeiten macht sie sich zu Fuß auf den Weg in östliche Richtung. Ihrem Mann lässt sie einen kurzen Brief, eine Rezeptsammlung und ein paar Notizen zurück, die ihm helfen sollen, den Alltag ohne sie zu meistern. Vor Etta liegen 3.232 km und wir dürfen sie auf dieser Reise begleiten, die alles andere als gewöhnlich ist. In ihrem Abschiedsbrief an Otto schrieb sie "Ich komme zurück, wenn ich es nicht vergesse" - ein Hinweis darauf, dass Etta zunehmend dement wird.

In Retrospektiven erfährt der Leser von Otto, von seiner Familie, vom Nachbarjungen Russell, von der kleinen Dorfschule, vom Farmleben, von heißen Sommern, von Hunger und von seiner Kindheit. Aber auch von Etta, ihrer Familie, ihrer verstorbenen Schwester und ihrem eigenen Werdegang als Lehrerin in der kleinen Dorfschule, wo sie Otto erstmals begegnet. Otto lässt sich rekrutieren und zieht in den Krieg; Etta meldet sich - nachdem die Dorfschule mangels Schüler geschlossen wird - in der Munitionsfabrik.

Eine zentrale Begebenheit im gesamten Buch ist das Briefeschreiben - in jungen Jahren tauschen Etta und Otto nach dessen Einberufung in den Wehrdienst regelmässig Briefe aus und lernen sich auf diese Weise kennen (und lieben). Auch nachdem Etta ihre Reise ans Meer angetreten hat, schreibt sie Otto zahlreiche Briefe - und Otto antwortet ihr, auch wenn er nicht weiß, wo sie gerade ist. Er schickt sie dennoch los und bewahrt die Rückläufe einfach später auf, damit Etta sie lesen kann, wenn sie wieder zurück ist. Und alle drei Protagonisten erinnern sich an die Vergangenheit - aber jeder auf seine Weise.

Auf ihrer Reise wird Etta von einem zahmen und sprechenden Koyoten begleitet, der möglicherweise auch nur in der Phantasie von Etta und im Zusammenhang mit ihrer fortschreitenden Demenz existiert und ihr gute Ratschläge und Hilfestellung gibt. Je weiter die Reise führt, desto mehr vermischen sich die Erzählstränge, desto häufiger wechselt die Perspektive. Aber sowohl Ettas als auch Ottos Gesundheitszustand verändert sich im Verlauf der Geschichte und so sind einerseits die skurilen Erlebnisse von Etta und Otto sowie auch von Russell in der Gegenwart aber auch das sukzessive altersbedingte Nachlassen der Kräfte sehr einfühlsam und eindrücklich beschrieben. "Ich komme zurück, wenn ich es nicht vergesse", ... - das Buch kann man sicher nicht mehr vergessen - danke Emma Hoopers für diese bewegende Geschichte!