Der ganz normale Wahnsinn

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Judith ist ein rundum sorgenfreier glücklicher Single, zwar unterschwellig auf der Suche nach Anlehnung und Geborgenheit, aber eigentlich zufrieden mit dieser Situation. Das ändert sich jedoch rapide, als sie "Prinz Charming" Hannes Bergtaler durch einen unglücklichen Umstand beim Einkaufen kennenlernt und ihn von Stund an nicht mehr los wird. Anfangs badet sie noch genüßlich in diesen angenehmen Gefühlen, doch schon bald merkt sie, wie ihr alles zuviel wird, wie sie von Hannes beherrscht wird und ihr die Luft zum Atmen fehlt. Während ihr Freundeskreis Hannes ins Herz geschlossen hat und sie beneidet wird wegen dieser einzigartigen Bekanntschaft, stoßen ihre Abnabelungsversuche um so mehr auf Unverständnis. Schon bald sind alle bemüht, Schritte der Versöhnung einzuleiten und Judith die Augen zu öffnen für diesen "Glücksfall". Sie fühlt sich mehr und mehr von ihm verfolgt, kann nichts mehr tun ohne Gedanken an seine Stalkingversuche. Erst die Nachricht über seinen längeren Krankenhausaufenthalt lässt sie kurzzeitig durchatmen und bringt doch gleichzeitig das Bewusstsein zutage, ihn nun doch noch einmal treffen zu müssen. Schweigen seinerseits bringt nun Judith an ihre Grenzen des Erträglichen und in die Psychatrie.

Der ganz normale Wahnsinn zweier unglücklich Verliebter? Nein, da steckt Schlimmeres dahinter. Mit diesem Blick in menschliche Abgründe ist Daniel Glattauer hier ein Mini-Psycho-Thriller gelungen, der so im Vorübergehen erst beim dritten Mal Hinschauen erkennbar wird. Glattauers bisherige Bücher kamen auf einer seichteren Schiene daher, nur das Cover deutet eine ganz andere Thematik an, denn Liebe hinter verschlosseneren Türen ist keine Liebe mehr.

Der Autor hat Judiths Martyrium in 15 Phasen eingeteilt. Für mich waren es eigentlich nur drei: Die Zeit der Verliebtheit; Stalking und Wahnsinn; Die Zeit der Erkenntnis. Die letztere Phase erlebt sie nur durch die Mithilfe  und Loyalität ihres Lehrmädchens und deren Freund mit detektivischen Ambitionen. Das Ende ist etwas lapidar, aber in Ordnung. Es bleibt die Hoffnung, dass Judith ihr altes Leben zurückbekommt.

Glattauers Art der Dialoge ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. In dieser Form ist mir noch kein Buch begegnet. Im weiteren Verlauf macht es fast schon Freude, solch flotte Dialoge erleben zu können. Anstrengend sind jedoch die österreichischen Begriffe und auch die landestypische Grammatik. Da kommt man machmal ins Stolpern und hört im Hinterkopf den "Wiener Schmäh". Alles in allem kurzweilige Unterhaltung, aber sicher kein Buch, das nachhaltig in Erinnerung bleibt.