Ein irrer Anspruch auf die Ewigkeit

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buecherfan.wit Avatar

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In einem überfüllten Supermarkt tritt Hannes Bergtaler, ein etwa vierzigjähriger Architekt, der sich auf die Renovierung von Apotheken spezialisiert hat, buchstäblich in Judiths Leben: mit einem schmerzhaften Tritt in ihre Ferse. Von dem Moment an lässt er nicht mehr locker. Anfangs gefällt es Judith, so umworben zu werden, denn Hannes sieht gut aus und ist sehr charmant und witzig. Judiths Mutter und alle ihre Freunde sind begeistert und glauben, dass sie endlich ihren Traummann gefunden hat. Judith lässt sich auf eine Beziehung ein, aber schon bald fühlt sie sich durch seine penetrant zur Schau gestellte Liebe und seine ständige Anwesenheit in ihrem Leben eingeengt und unter Druck gesetzt. Seine Besitz ergreifende Liebe macht ihr regelrecht Angst (“In seiner Art, sie zu lieben, steckte etwas Endgültiges, ein irrer Anspruch auf die Ewigkeit.“ S. 41). Sie beendet die Beziehung, stellt aber schnell fest, dass Hannes so ohne Weiteres nicht aus ihrem Leben verschwindet.

Bis hierher sieht alles nach einer der üblichen Geschichten über Stalking aus. Man rechnet damit, dass das geplagte Opfer die Polizei einschaltet, ein Kontaktverbot erwirkt, in eine Reihe von unangenehmen oder gefährlichen Situationen gerät usw. Daniel Glattauer macht es anders. Er entwickelt einen raffinierten Plot, in dem sich die Rollen zu verkehren scheinen, die Verfolgte zum Verfolger wird, denn obwohl Hannes in ihrem Leben nicht mehr physisch präsent ist, fühlt sich Judith ständig von ihm beobachtet. Sie ist von ihm besessen (“Er lässt mich aber nicht in Ruhe. Er okkupiert und blockiert mich. Er ist nicht nur bei mir, er ist bereits in mir.” S. 119). Judith entwickelt Psychosen und landet in der Psychiatrie. Und dann ist alles doch wieder ganz anders, als man denkt. In dieser schwierigen Phase erhält Judith nur von ihrem 16jährigen Lehrling Bianca wirksame Unterstützung. Die kecke, respektlose, erstaunlich lebenskluge Bianca stärkt ihr den Rücken, und ihr Freund spielt Detektiv.

Mit “Ewig Dein” legt Daniel Glattauer einen sehr lesbaren, spannenden Roman vor, die Geschichte einer etwas anderen Liebe, die sich in der zweiten Hälfte zu einem Psychothriller entwickelt. Stellenweise fühlte ich mich an Karin Alvtegens Roman “Der Seitensprung” erinnert, der eine ähnliche Thematik hat. Sprachlich ist das Buch anspruchsvoll und ausgefeilt, teilweise ausgesprochen witzig, vor allem die Figur der Bianca und ihr Verhältnis zu ihrer “Frau Chefin”. Amüsant ist besonders Biancas sehr gut getroffene Jugendsprache. Meine Erwartungen an diesen Roman wurden nicht enttäuscht. Mir gefällt “Ewig Dein” sogar noch besser als die Vorgänger, die bekanntlich internationale Bestseller waren.