Ewig Dein? Ewig Mein!

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karschtl Avatar

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Ein Mann begegnet (scheinbar) zufällig einer Frau, verliebt sich wohl Hals über Kopf in sie und gibt nicht Ruhe, bis sie mit ihm ausgeht. Sie, relativ frisch single, gibt sich dem Spaß eine Weile hin, bis ihr ihr neuer Freund doch zu aufdringlich wird und sie merkt, dass sie keine Schmetterlinge im Bauch hat wenn sie sich treffen. Sie findet es schön,  so begehrt zu werden. Aber das reicht dann doch nicht für eine längerfristige und vor allem glückliche Beziehung. Doch ihr neuer Verehrer lässt sich von den Worten "Es ist aus, bitte lass mich in Ruhe" nicht so leicht abschütteln. Vor allem, da er sich da schon - von ihr unbemerkt - sowohl in ihre Familie als auch engeren Freundeskreis 'eingeschleust' hat, die alle finden dass er doch "ein ganz lieber ist, der sie wirklich aufrichtig liebt."
Ein Buch, das als leichte Lektüre beginnt und sich zu einem wahren Psychodrama entwickelt. Sehr verstörend.
Vor allem dann, wenn man sich versucht, in die Figuren hinein zu versetzen (in meinem Fall in die weibliche), und denkt 'Hätte mir das in dieser Situation auch so passieren können?'

Als Gesamtwertung hätte ich gern 3,5 Punkte vergeben. 3 scheinen mir fast zu wenig, aber 4 Punkte und das damit verbundene Attribut "Spitze" sind mir dann doch zu viel aus Gründen, die ich sogleich ausführe.

\*Vorsicht, Spoiler!\*
Ein bißchen unwirklich klingt das Szenario, speziell der Teil wo Judith immer mehr dem Wahn verfällt, schon. Aber doch auch nicht unvorstellbar.
Einzig beim Motiv von Hannes hätte mir der Autor mehr erklären müssen. So ganz hat es sich mir nicht erschlossen, was es ihm bringt, apathische, fügsame Frauen ans Bett 'zu fesseln'. Hat er einen ausgeprägten Bemutterungsinstinkt, will er Frauen lediglich anschauen und Monologe mit ihnen führen? Wie psychisch krank ist er wirklich? Er handelt nicht wirr sondern sehr schlau, überlegen und weise vorausschauend, was aber wohl keine psychische Erkrankung ausschließt.
Und was hat Hannes seiner ersten Familie erzählt, wenn er oft lange weg bei Judith war, teilweise ja auch über Nacht. Generell hätte ich schon gern mehr über diese erste Familie erfahren wollen. Aber gut, vielleicht ist das ja auch der Stoff für einen Nachfolgeroman.

Sprachlich fand ich die Art der Beschreibung der Dialoge sehr minimalistisch. Abgehackt. Aber irgendwann hat man sich auch daran gewöhnt, und der Lesefluss ist dennoch sehr angenehm. Denn in den anderen Textpassagen ist Glattauer in Bestform. Bildhafte, aber doch nicht zu überladene oder gar kitschige Beschreibungen der ganz alltäglichen Dinge machen das Lesen zur Freude.

Ist der Anfang des Buches noch eine 'normale' Beziehungsgeschichte, ohne besondere Höhepunkte, so entwickelt sich in den späteren Phasen des Buches eine gewisse Spannung, so dass man bestrebt ist möglichst schnell weiter zu lesen um zu erfahren, wie es ausgeht. Wie sich eine solche scheinbar verfahrene Situation auflösen kann. Und diese Spannung tat dem Buch doch recht gut.

Als Wienerin war der Lokalkolorit auch ganz nett, wobei hier kaum typisch wienerische Dinge vorkamen. Der Roman hätte genauso gut in jeder anderen etwas größeren Stadt spielen können (wo nicht jeder jeden kennt, denn sonst wäre das Doppelspiel von Hannes viel früher aufgeflogen). Und genau das war sicher auch die Intention des Autors, so dass sich jeder Leser vorstellen kann, das könnte sich auch in seiner Nachbarschaft abspielen.

Diesmal auch noch ein kurzer Kommentar zum Cover. Oft schaue ich mir das nicht so genau an, überblicke es nur flüchtig. Bei diesem Buch jedoch hätte ein genaues Hinschauen und kurzes Nachdenken über die Bedeutung mir bereits einiges auf den Verlauf des Buches verraten können. Wobei ich als Titel "Ewig Mein" sogar noch passender gefunden hätte.