„Wir werden uns bestimmt nicht aus den Augen verlieren…“

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Mit dem Autor Daniel Glattauer bin ich erstmals durch sein Buch „Die spürst du nicht“ in Berührung gekommen, das mir sehr gut gefallen hat (vgl. eine frühere Rezension). Der Schreibstil des Autors hat es mir sehr angetan, deshalb wollte ich unbedingt noch mehr von ihm lesen. Mein Wahl fiel auf „Ewig dein“, ein Liebesroman, der sich ab einem gewissen Punkt eher zu einem Psychothriller entwickelt. Thema: Obsessive Liebe.

Ähnlich wie bei „Die spürst du nicht“ ist der Beginn des Romans zunächst äußerst amüsant gestaltet worden. Das Kennenlernen von Hannes und Judith wird beschwingt erzählt und die eingestreuten Dialogpassagen sind toll arrangiert. Das hat mir sehr gut gefallen und mich schmunzeln lassen. Der Erzählfluss wird auf diese Weise immer wieder schön aufgelockert. Auch die Sprache, die Glattauer verwendet, ist toll konzipiert. Er scheint die Sprache wirklich zu fühlen und spielt auf kreative Weise mit den feinen Nuancen von Sprache. Er ist absolut treffsicher in seinen Formulierungen und bei seinen Wortschöpfungen. Einfach stark! Zu Beginn des Romans ist es in meinen Augen vor allem das Gedachte von Judith, das herrlich humorvoll daherkommt. Liebe auf den ersten Blick sieht jedenfalls anders aus. Sie ist eher der abschätzend-pragmatische Typ, ganz anders als Hannes. Die Attribute, mit denen Hannes beschrieben wird, sind einfach herrlich („sonnenfältchenäugig“ und „ausgestattet mit Omas blendendem Gebiss“).

Die verschiedenen Phasen der Beziehungsentwicklung werden gut eingefangen. Judiths Gefühle werden stärker. Nach und nach erkennt sie, was für einen Volltreffer sie gelandet hat. Doch diese Phase währt nicht lang und die Partnerschaft erhält erste Risse. Und passend zum Inhalt ändert sich auch der Erzählton. Er wird ernster (eine auffällige Parallele zu „Die spürst du nicht“). Als Judith einen Schlussstrich unter die Beziehung ziehen will, nimmt die Handlung Fahrt auf und wird richtig packend und unheimlich. Ich will nicht zu viel vorweg nehmen, aber in meinen Augen ist es einfach eine starke Leistung, was Glattauer in dieses gerade einmal 200 Seiten umfassende Buch packt und wie er dabei auch noch mit Genregrenzen spielt. Da wird der gesamte Entwicklungsprozess einer Beziehung gut deutlich und während der Lektüre ist man sehr stark am Geschehen beteiligt. Großartig!

Und was ich auch lobend erwähnen möchte, ist die Darstellung von Judiths Psyche. Besonders die Phase, in der sie von den Ereignissen um sie herum völlig vereinnahmt wird, sind glänzend gestaltet worden. Glattauer verunsichert den Lesern bei seinen Einschätzungen des Geschehens. Irgendwann habe ich mich sogar gefragt, ob sich Judith nicht zu sehr in das Erlebte hineinsteigert, und habe damit begonnen an ihr zu zweifeln. Realität und Einbildung verschwimmen. Es gibt kein klares Schwarz und Weiß. Klasse! Und auch das Thema „Freundschaft in Krisensituationen“ wird gut in die Handlung mit eingebunden. Noch etwas: Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation durchbricht der Autor die Szenen aber auch immer wieder mit karikierenden Elementen. Hier spiele ich vor allem auf die Figur Bianca an, das 16-jährige Lehrlingsmädchen. Allerdings habe ich mir in diesem Zusammenhang schon auch die Frage gestellt, ob das unbedingt sein musste. Vielleicht hätte der Autor besser auf diese Elemente verzichtet? Mag sich jeder selbst ein Urteil bilden.

Das einzige, was ich etwas kritischer sehe, ist das Ende des Romans. Ich kann hier leider nicht zu sehr ins Detail gehen, ohne etwas zu verraten. Aber für mich war der Abschluss des Romans irgendwie zu gewollt und auch nicht immer realistisch. Das ist so schade, weil das Buch ansonsten absolut herausragend gewesen wäre.

Fazit: In diesem Büchlein, das schmal daherkommt, steckt unglaublich viel (wie schon bei „Die spürst du nicht“). Ich bewundere den Autor für seinen kreativen Umgang mit Sprache und auch für die Passagen des unzuverlässigen Erzählens. Die sind ihm wirklich herausragend gelungen. Leider konnte das Ende des Buchs nicht mit dem Rest mithalten. Deshalb komme ich auf 4 Sterne.