Die Illusion der großen Freiheit

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buecherfan.wit Avatar

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In Ursula Parrotts vor 100 Jahren erschienenem Roman “Ex-Wife“ geht es um die junge, sehr attraktive Patricia, die mit 19 Jahren ihre große Liebe Peter kennenlernt und mit ihm nach New York zieht. Das Paar vereinbart eine offene Beziehung, weil sie Treue und Eifersucht für überholt halten. Von dieser Vereinbarung macht ihr Mann reichlich Gebrauch, Patricia nur ein einziges Mal, woraufhin ihr Mann ihr wütend vorwirft, herumgehurt zu haben. Damit ist ihre Ehe nach vier Jahren am Ende, und Peter verlangt die Scheidung. Patricia wehrt sich jahrelang. Sie liebt ihren Mann nach wie vor und hofft lange Zeit, dass er zu ihr zurückkehrt. Bis sie schließlich die Endgültigkeit der Trennung akzeptiert und in die Scheidung einwilligt, vergeht viel Zeit. Patricia findet Unterstützung bei ihrer Freundin Lucia und versucht die Idee der unbegrenzten Freiheit auszuleben. Nach ihrem Arbeitstag als Werbetexterin geht sie in Restaurants, Bars und Flüsterkneipen und lernt immer wieder neue Männer kennen, mit denen sie bedeutungslosen Sex hat. Einen Partner, mit dem sie tiefe Liebe verbindet, findet sie nicht mehr. Bei all dem weiß sie immer, dass ihr freizügiges Leben nichts an den misogynen Machtstrukturen ändert und ihre Zeit als begehrtes Sexobjekt ohnehin begrenzt ist.
Der Skandalroman von 1929 vor dem großen Börsencrash schockiert heute niemand mehr. Ich habe dieses Porträt einer anderen Epoche, in der enorm viel gefeiert und getrunken wurde, gern gelesen. Die Frauen, die wie Patricia beachtet werden wollten, gaben sehr viel Geld für Kleidung aus. Manches hat sich geändert, vor allem natürlich die Mode mit den vielen Pelzen und den auffälligen Hüten, vieles aber auch nicht. Ein wichtiges Buch, das die Neuauflage im Original und die Übersetzung ins Deutsche verdient hat.